
Im Wahlkampf hatte CDU-Chef Merz eine Aufweichung der Schuldenbremse vehement abgelehnt – auch dafür ist er gewählt worden. Nun mag man bei Ausgaben für die Aufrüstung noch Verständnis aufbringen. Können Sie uns den Merzschen Kurwechsel hin zum 500-Milliarden-„Sondervermögen“ für die Infrastruktur erklären?
Putin führt Krieg gegen Europa, nicht nur gegen die Ukraine, zugleich ist erstmals seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs kein Verlass auf den Schutzschirm der USA. Es wird ernsthaft befürchtet, dass Putin bald ein NATO-Land angreift. Es ist alles viel brutaler als viele das bisher verstehen. Hätten wir auf diese reale Gefahr jetzt nicht entschieden reagiert, würde sie unkontrollierbar.
Die 500 Milliarden auf zehn Jahre bedeuten jährlich etwa 10 Prozent des Bundeshaushalts. Mit diesen 50 Milliarden investieren wir in Schiene, Straßen, Energie, Schulen, Digitalisierung und andere Schlüsselbereiche, damit Deutschland in der neuen Ära, die von Handelskriegen und gewaltigen wirtschaftlichen Turbulenzen geprägt sein wird, nicht untergeht.
Man kann nach einem globalen Erdbeben nicht so tun als wäre es nicht passiert. Wir müssen uns auf die neue Zeitrechnung einrichten, und das schnell.
Im Grunde stimmt jetzt Merz für eine Politik, die er den Ampel-Parteien SPD und Grünen immer vorgeworfen hat – und das, ohne im Amt zu sein und erstmal Kassensturz zu machen. Ist für Sie nachvollziehbar, dass Wähler sauer sind und auch in Ihrer Partei mancher ein Glaubwürdigkeitsproblem sieht?
Ja, das verstehe ich, ich rede ja auch mit den Leuten. Aber, wie Adenauer gesagt hat: Die neue Lage ist da. Wir können das doch nicht einfach ignorieren und so tun, als wäre dieses politische Erdbeben nicht passiert. Es ist wichtig, die Gründe zu nennen, auch die Gefahr, die droht, wenn wir uns auf diese nicht schöne neue Zeit nicht schnell genug einstellen.
Kritik gibt es auch am Deal mit den Grünen und der Vereinbarung, das Ziel der Klimaneutralität bis 2045 ins Grundgesetz zu schreiben. Befürchtet wird, dass wir uns damit international weiter abhängen und die Deindustrialisierung voranschreitet. Warum also lässt sich die Union auf solch einen Deal ein?
Das ist schon vor Jahren vom Bundesverfassungsgericht entschieden worden. Es hat entschieden, dass zum Schutz der Umwelt auch der Klimaschutz zählt. Wir schreiben also nichts Neues in die Verfassung, andere Behauptungen sind schlicht falsch. Umso wichtiger ist, dass mit den enormen Investitionen genau die De-Industrialisierung gestoppt wird und Deutschland wieder zu einem attraktiven Standort für Investitionen wird. Die internationalen Reaktionen auf unsere Entscheidungen zeigen das auch schon. Das braucht Deutschland im harten Wettbewerb zwischen USA, Asien und Europa auch dringend.
Ihr Parteifreund Wolfgang Bosbach sagt (in der „Welt“): „Wenn wir jetzt auch noch beim Thema illegale Migration einknicken, dann könnte die Union schweren Zeiten entgegengehen.“ SPD-Chef Klingbeil hat aber schon Zurückweisungen an deutschen Grenzen ausgeschlossen. Wird sich die Union wenigstens bei diesem Thema durchsetzen?
Der Wolfgang ist ein Optimist, seine Unkenrufe werden gehört. Aber es geht sehr in die richtige Richtung. Bei den Sondierungen hat die Union der SPD bei Migration viel abgerungen, es gibt viel CDU/CSU pur. Ein Bundeskanzler Merz wird in der EU und mit unseren Nachbarn so viel Druck erzeugen, dass wir eine andere Migrationspolitik bekommen. Und es bleibt dabei: Die Zurückweisung an der deutschen Grenze ist legal, sogar geboten. Mir sagen Grenzpolizisten und andere aus Nachbarländern: Ihr Deutschen seid ganz schön blöd, wenn Ihr das weiter zulasst.
Auch Sie haben im Wahlkampf sehr für einen Politikwechsel geworben. Wo wird dieser im Koalitionsvertrag sichtbar werden?
Wir stehen ja in der ersten Woche der Koalitionsverhandlungen, und ich kann nur sagen, dass wir leider vom Wähler keine starke Mehrheit für unsere guten Positionen bekommen haben und deshalb mit der SPD auch darüber ringen, dass die endlich in der Realität ankommen. Insgesamt glaube ich, dass trotz und gerade wegen der historischen Entscheidung gestern die dringenden Reformen und übrigens auch strukturelle Einsparungen im Haushalt von uns durchgesetzt werden können. Denn eines ist klar: Die Entscheidung von gestern macht nur Sinn, wenn auch diese andere Seite der Medaille klar ist, und darüber verhandeln wir hart.
Alle Reden gerade darüber, wo überall Geld ausgegeben werden muss. Muss nicht viel mehr auch übers Sparen geredet werden?
Absolut, das passiert auch. Wir mobilisieren Summen für Investitionen in Verteidigung und Infrastruktur, um unsere Sicherheit zu garantieren und zu modernisieren. Das bedeutet aber auch Veränderung von Struktur, um effizienter und schneller zu werden - und Milliarden einzusparen, für Staat und privat. Dabei geht es um Themen wie Rückbau von Bürokratie und Regulierung, Beschleunigung von Verwaltung, Digitalisierung und mehr. Da gibt es ein Riesen-Potenzial für Einsparung, auf allen Ebenen und in allen Bereichen, auch bei Migration und Bürgfergeld. Es gibt großen Druck zum Sparen, wenn wir die Zukunftsfähigkeit des Landes nicht riskieren wollen.
Die Koalitionsverhandlungen laufen, bis Ostern soll die neue Regierung stehen. Für wie wahrscheinlich halten Sie es, dass am Ende eine Koalition mit der SPD zustande kommt?
Die neue Regierung soll zügig ins Amt kommen, am besten bis Ostern. Aber, und das haben wir immer betont: Qualität geht vor Geschwindigkeit. Also werden wir keinen Koalitionsvertrag abschließen ohne echten Politikwechsel. In der Sondierungsvereinbarung steht schon viel davon drin, und das wird auch am Ende so sein.
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