Das Interview ist am 2. Juni 2024 auf osthessen-news.de erschienen.
Der Fuldaer Bundestagsabgeordnete Michael Brand (CDU) hatte eine enge Beziehung zum vor fünf Jahre ermordeten Kasseler Regierungspräsidenten Dr. Walter Lübcke und bezeichnet ihn als "Freund". Zu Lübckes Todestag gibt Brand Antworten auf Fragen die ihn seitdem beschäftigen.
Herr Brand, Ihr Freund, der Kasseler Regierungspräsident Dr. Walter Lübcke, ist am heutigen 2. Juni fünf Jahre tot, ein halbes Jahrzehnt ist vergangen seit dem Mord. Wie sehen Sie dem Tag entgegen?
MICHAEL BRAND: "Also, zuallererst denke ich natürlich an seine Frau und an die Söhne, und an die Familie. Ich habe ja nach dem Mord vieles erlebt, und auch so einiges begleitet. Natürlich ist das privat eine ganz andere, viel härtere Erfahrung als die öffentliche Erinnerungen an einen aufrechten Demokraten und tollen Charakter."
Sie haben, gemeinsam mit der Familie, große Teile des Strafverfahrens gegen den Täter im Gerichtssaal mitverfolgt. Was waren dort ihre wesentlichen Eindrücke?
BRAND: Ich bin ja jemand, der sehr für diesen Rechtsstaat eintritt, wirklich für ihn kämpft. Aber ich bin mit dem Verfahren in Frankfurt in einem ganz wichtigen Teil nicht einverstanden. Die These vom Einzeltäter, die ja immer wieder auch als Ausflucht dafür dient, dass die Gefahr des Rechtsextremismus nicht ganz so riesig wäre, das halte ich für gewagt und für falsch. Zudem finde ich, dass die sogenannten geistigen Täter, die Walter mit Mord bedrohten, systematisch gegen ihn gehetzt und ihn damit zur Zielscheibe gemacht haben, politisch und gesellschaftlich, am liebsten auch rechtlich, zur Verantwortung gezogen werden müssten. Ich selbst habe einigen sehr direkt gesagt, dass ich sie für mitverantwortlich an dem Mord halte. Wir dürfen nicht einfach immer nur schweigen, uns ducken - man muss auch den Mut haben, diese Leute ganz deutlich anzuzählen. Sonst gewinnen am Ende die Bösen, so einfach, und so banal ist das.
Wie würden Sie, mit Ihrem Hintergrund an Erfahrung, auch Ihren Beobachtungen, heute eine Art Zwischenbilanz ziehen?
Michael Brand, MdB (CDU).
BRAND: Es bleibt ein Einschnitt, eine Zäsur. Nicht nur privat, auch politisch. Es ist das erste Mal, dass ein Repräsentant unseres freiheitlichen Rechtsstaates von Rechtsextremisten ermordet wurde. Die Bedrohung durch Extremisten ist seit der Ermordung von Walter nicht kleiner, sondern größer geworden.
Allerdings ist auch der breite Widerstand in der Mitte der Gesellschaft inzwischen so deutlich, dass ich Hoffnung habe, dass wir diese Bestie des Extremismus von rechts und links, auch von Islamisten, genug entgegenzusetzen haben. Das müssen wir allerdings auch, denn Demokratie und Freiheit sind nicht einfach so, sie müssen tatsächlich täglich, politisch und auch im privaten Umgang, praktiziert und am Leben erhalten werden.
Sie haben im Bundestag eine viel beachtete Rede zum Mord an Walter Lübcke gehalten, und sie haben auch, in Abstimmung mit der Familie, einen Walter-Lübcke-Preis ins Leben gerufen, der einmal im Jahr an ganz normale Menschen oder Gruppen aus der Mitte der Gesellschaft verliehen wird. Was war Ihr Motiv für diesen Preis?
Der Walter-Lübcke-Preis.
BRAND: Das ist ein wirklich tolles, ein ermutigendes Kapitel! Es gibt so viele, ja fast unzählige tolle Menschen, die häufig ganz still zum Beispiel kranke Menschen im Krankenhaus besuchen, sich für Nachbarn einsetzen, Angehörige oder andere pflegen, die in der Hospizarbeit, im Sport und anderswo enormen Einsatz und so unendlich Wertvolles für uns alle leisten, dass man sich eigentlich täglich einen Ast abfreuen könnte. Und der Walter-Lübcke-Preis, der will genau diese Leute einmal hervorheben, ihnen Dank und auch Anerkennung ausdrücken.
Denn, und das ist mir das Wichtigste: Walter Lübcke war ein absoluter Menschenfreund, einer, der jeden gleich behandelt hat, der immer ein offenes Ohr hatte und der gern und viel mit den Leuten, gerade den einfachen Leuten, zu tun hatte. Mit diesem Preis und mit dem Einsatz dieser Menschen lebt Walter Lübcke ein Stück weiter. Darum geht es mir: Es geht darum, das Leben und den Einsatz von Walter Lübcke in frischer Erinnerung zu bewahren, und ihn eben nicht über den feigen Mord von Rechtsextremisten zu definieren. Ich glaube, das gelingt insgesamt ganz gut, und ich hoffe, das bleibt auch in Zukunft so. Ich jedenfalls werde mich weiter dafür einsetzen.
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