„Spaziergänge"? - nun mal ehrlich ...

06.01.2022
Kolumne

Die Kolumne ist am 8./9. Januar 2022 in der Wochenzeitung FULDA AKTUELL erschienen.

„Spaziergänge" mit hunderten Teilnehmern sind keine Spaziergänge, sondern Kundgebungen, sie unterliegen deshalb dem Versammlungsrecht. Es ist völlig in Ordnung, wenn man in unserem demokratischen Staat protestieren will. Diese Freiheit, sich durch Demonstration auszudrücken, ist eine Grundfreiheit, die wichtig und wertvoll ist. Es ist aber ein Missbrauch der Grundfreiheit, wenn eine Versammlung bewusst nicht angemeldet wird, wenn Ordnungsbehörden und Polizei ausgetrickst werden sollen. Auch einfache Teilnehmer verstoßen so gegen Gesetze, und sie machen sich zum Instrument von anonymen Organisatoren, die ganz andere Ziele verfolgen.

Noch einmal: Demonstrationen müssen im Rahmen unserer freiheitlichen Ordnung erfolgen, sie dürfen nicht gegen Freiheit, Recht und Ordnung verstoßen. Wenn eine Demonstration schon mit einem Rechtsbruch beginnt, sie als sogenannter „Spaziergang" getarnt wird - was sie definitiv nicht ist, wie jeder Teilnehmer weiß -, dann ist das schon mal kein ehrlicher Anfang. Und wenn dann Extremisten im Hintergrund die Regie übernehmen, viele Teilnehmer für ihre radikalen Ziele missbrauchen, dann ist das auch kein gutes Ende.

Also müssen wir reden. Und wir müssen ehrlich reden. Mit den Besorgten über das, was sie besorgt. Darüber müssen wir im Dialog bleiben. Wir müssen aber auch ehrlich darüber reden, dass es überhaupt nicht akzeptabel ist, unsere Polizei zu täuschen, bewusst zu provozieren und dann auch noch mit Unwahrheiten zu verleumden, schon gar nicht sie anzugreifen.

Auch müssen wir ehrlich sagen, dass 1.000 oder auch Zehntausende Leute, die gegen Impfungen demonstrieren, nicht die zig Millionen Menschen aufwiegen, die als gewaltige, schweigende Mehrheit einfach das tun, was vernünftig ist: Ihre Familien und unsere Gesellschaft durch Impfung schützen. Wir müssen darüber reden, warum es einer Minderheit nicht erlaubt ist, mit illegalen Mitteln der Mehrheit den Willen aufzwingen zu wollen. Und schon gar nicht können wir hinnehmen, dass unsere Demokratie als Diktatur denunziert wird.

So müssen wir reden, wir alle. Und zwar in unseren Familien, mit Freunden, in Verein und Betrieb. Wir müssen reden, damit die Sorgen, ob berechtigt oder unberechtigt, nicht länger missbraucht werden. Wenn wir ehrlich reden, dabei auch mal Dissens aushalten, dann wird uns das ganz gut gelingen. Das wäre ein wirklich guter Vorsatz für dieses noch neue Jahr 2022.