Nichts ist schön zu reden

29.05.2019
Kolumne

Die Kolumne ist in der Fuldaer Zeitung am 29. Mai 2019 erschienen.

Michael Brand äußert sich nachdenklich zu den Folgen der Europawahl für die CDU.

Die CDU hier in Osthessen könnte sich damit trösten, dass sie beim nächsten Mal wieder über 40 % springt. Das ist aber kein Trost. Die Union insgesamt könnte sich damit trösten, dass sie noch immer mit Abstand die stärkste politische Gruppierung ist. Auch das das wäre kein Trost, sondern sogar gefährlich.

Gefährlich ist, wenn die „Klatsche“ bei der Europawahlen schöngeredet wird. Es ist wie im Fußball: wer eine deftige Niederlage kassiert, kann sich nicht hinwegtrösten; man muss Ursachen suchen.

Die Wahlniederlage bei der Europawahl ist nicht allein zu erklären mit dem Thema Klima. Die Antworten der Union sind bei diesem Thema komplexer, zielgenauer und deshalb besser als die grob gestrickten Antworten der Grünen.

Wir wollen eben nicht nur etwas tun, was hier nutzt, aber anderswo auf der Welt schadet. Wir wollen nicht, dass Strukturen kaputt gehen, die in Zukunft noch gebraucht werden. Wir suchen die Bekämpfung des Klimawandels dort, wo er entsteht, und mit Mitteln, die tatsächlich helfen.

Beispiel: Fahrverbot für Dieselfahrzeuge wegen Feinstaub. Es ist völlig unbestritten, dass Dieselfahrzeuge deutlich weniger CO2 produzieren als andere Motoren. Auch ist unbestritten, dass wir es angesichts der drängenden Zeit und anderer Problem einfach nicht schaffen, alle elektrisch zu fahren. Große Fortschritte bei Brennstoffzelle und Wasserstoff sind nicht so telegen wie Klima-Demos. Aber sie sind für Klima, und für Millionen Menschen eine richtige Lösung.

Und selbst wenn in Deutschland kein Auto mehr führe, wäre der Klimawandel nicht gestoppt. Existenziell sind hier: Indien und China. Über 2,6 Milliarden Menschen dort wollen Wachstum. Die Welt kann nur überleben, wenn die beiden Länder das ohne Vervielfachung von CO2 schaffen. Dort zu helfen, zu investieren, ist um ein Vielfaches effektiver als nur hier etwas zu tun.

Die CDU-Klatsche ist auch nicht zu erklären mit der (Nicht)Reaktion der CDU-Vorsitzenden - auch der Bundeskanzlerin - zu einem 26-jährigen YouTuber, dessen 55 Minuten zur „Zerstörung der CDU" diese Wirkung nur hatte, weil die CDU sich angestellt hat wie ein Käfer, der auf dem Rücken liegt.

Klima, Internet, Globalisierung und Migration, Grundrente und Wohnungsnot, und viele andere Themen mehr: das alles braucht vor allem erst einmal die Einsicht bei den politisch Handelnden in Berlin, dass wir nicht mit Phrasen, sondern mit Fragen, auch an uns selbst auf diese Niederlage reagieren müssen.

Nicht immer muss jedes Statement in 30 Sekunden die ganze Welt erklären. Das geht überhaupt nicht. Auch der Druck, immer alles sofort und komplett zu klären, ist Gift für den demokratischen Dialog.

Manchmal muss man auch mal innehalten und sagen: Darauf haben wir jetzt noch keine Antwort, wir arbeiten dran. Viel Arbeit wird nötig sein, um das flächendeckend abnehmende Vertrauen in die oft harte und intensive Arbeit von Menschen in der Politik zumindest in Teilen wiederherzustellen.

Es braucht etwas, was auch im Privatleben wichtig ist: Verständnis für andere und deren Sicht. Das bedeutet nicht, dass man die eigene Meinung verstecken muss, im Gegenteil. An der Willensbildung mitwirken heißt zuhören und miteinander reden. Und wir müssen handeln, wenn wir’s besser machen wollen.

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