Michael Brand: "Brauchen zeitgemäße Instrumente zur Verbrechensbekämpfung"

22.02.2021
Interview

Das Interview ist am 21.02.2021 auf Osthessen-News erschienen.

Mit über 51.000 Bediensteten ist die Bundespolizei die größte Sicherheitsbehörde Deutschlands. Letzte Woche wurde im Deutschen Bundestag zum ersten Mal seit über einem Vierteljahrhundert eine weitreichende Modernisierung des Bundespolizei-Gesetzes und deren Befugnisse und Möglichkeiten beraten. In der Debatte sprach Bundesinnenminister Horst Seehofer von einem „schönen Moment, mit dem wir nicht mehr gerechnet haben“. In der Plenardebatte wurde ausdrücklich das Engagement des Fuldaer Bundestagsabgeordneten Michael Brand hervorgehoben. Grund genug für OSTHESSEN-NEWS nachzufragen.

FRAGE:
Herr Brand, ein neues Bundespolizeigesetz mit neuen Befugnissen wurde im Koalitionsvertrag zwischen CDU/CSU und SPD vereinbart, drohte aber zu scheitern. Sie sind der zuständige Berichterstatter der CDU/CSU. Wie kam es zu der Auferstehung dieses totgeglaubten Projekts?

BRAND:
Stimmt, Bundesminister Seehofer hat das ja auch in der Debatte gesagt. Das Vorhaben ist im Sommer letzten Jahres gescheitert, weil die SPD-Vorsitzende Esken die Vorschläge des Innenministers blockiert hat. Ein Kompromiss in der Bundesregierung war nicht möglich. Dann haben sich die beiden Berichterstatter der Regierungsfraktionen, das sind die Experten fürs Thema, zusammengesetzt und nach Lösungen gesucht, die haben wir dann gefunden. Das musste dann noch in den Koalitionsfraktionen durchgesetzt und mit der Bundesregierung abgestimmt werden. Das war erfolgreich, und so konnten wir am Freitag das Gesetz im Bundestag einbringen.


FRAGE:
Das ist die erste Änderung des Bundespolizeigesetzes seit über einem Vierteljahrhundert. Das ist eine ziemlich lange Zeit. Warum hatte so lange gedauert, und warum gerade jetzt die Reform?

BRAND:
Es war überfällig, dass dieses wichtige Gebiet der Inneren Sicherheit endlich auf eine moderne Grundlage gestellt wird. Das Bundespolizeigesetz stellt die Rechtsgrundlage her. Wir haben als Union sehr regelmäßig die Vorschläge aus der Bundespolizei aufgegriffen und eine Modernisierung vorgeschlagen. Allerdings sind wir an den Koalitionspartnern gescheitert, die da vieles für überflüssig hielten. Inzwischen war es überfällig, dass der Gesetzgeber die Arbeitsgrundlage der Bundespolizei an die heutige Zeit anpasst. Vor 26 Jahren gab es weder Digitalisierung noch Mobiltelefone noch die Nutzung des Internets wie heute. Die Welt hat sich verändert, die Bundespolizei braucht zeitgemäße Instrumente zur Verbrechensbekämpfung.

FRAGE:
Was sind die wesentlichen Änderungen, die die Arbeit der Bundespolizei und auch die Sicherheit der Bevölkerung am stärksten betreffen? Können Sie ein konkretes Beispiel nennen?

BRAND:
Zunächst einmal wird die Bundespolizei mehr Dinge tun können und auch mehr Dinge in eigener Verantwortung. Das bedeutet, um es an einem Beispiel zu nennen: Wenn die Bundespolizei einen betrunkenen Randalierer, oder jemand ohne Ausweispapiere am Bahnhof aufgreift, dann muss sie den Fall heute an die Landespolizei übergeben, die dann das weitere Verfahren übernimmt. Das bedeutet in der Praxis hohen Aufwand bei der Koordinierung untereinander und natürlich großen Verlust an Zeit durch unnötige Bürokratie. Das haben wir geändert: In Zukunft ist Bundespolizei befugt - das ist eine konkrete Konsequenz aus dem Fall Amri - illegalen Aufenthalt in eigener Regie zu beenden, Blutproben zu entnehmen, bekommt bessere Räumlichkeiten an den Bahnhöfen und vieles andere mehr, also bessere Ausstattung und neue Befugnisse. Das bedeutet raschere Abwicklung und das klare Signal, dass in diesem Bereich rascher und effizienter Recht und Ordnung durchgesetzt werden.

FRAGE:
Sie haben das Thema Digitalisierung selbst angesprochen. Da gibt es ja immer wieder Kritik daran, dass die Kriminellen mit modernsten Mitteln arbeiten und die Polizei hinterherhinkt. Wie sieht das in diesem Bereich aus?

BRAND:
In den Verhandlungen konnten wir wichtige einzelne Elemente zur Verbesserung des Kampfs gegen organisierte Kriminalität und wirklich üble Ganoven durchsetzen. So erlaubt das Gesetz in Zukunft die Überwachung von Telekommunikation an der Quelle, in besonders schweren Fällen wie Menschenhandel und Schleuserkriminalität. Dabei gilt auch hier: immer mit richterlichem Beschluss. Dabei ist diese neue Kompetenz ein ganz wichtiger Fortschritt und bedeutet ein Stück mehr Waffengleichheit für die Bundespolizei im Kampf gegen schwerste Kriminalität. Diese Möglichkeit hatten die Praktiker seit langem verlangt, und die SPD hat unserem Drängen jetzt nachgegeben. Neu ist auch, dass es gegen eine völlig neue Bedrohung, hier durch ferngesteuerte Drohnen zum Beispiel an Flughäfen endlich eine gesetzlich sichere Grundlage zur Abwehr gibt. Daran zeigt sich auch, wie dynamisch sich die Sicherheitslage entwickeln kann und dass wir in Zukunft sicher schneller reagieren müssen auf qualitativ neue Bedrohungen.

FRAGE:
In Hünfeld befindet sich einer der Standorte der Bundespolizei, der in den letzten Jahren sehr stark ausgebaut wurde. Die Einheit ist unter anderem für Terrorismusabwehr zuständig. Wie wirkt sich die Reform auf die Bundespolizei in Hünfeld aus?

BRAND:
Natürlich profitiert von der Reform die gesamte Bundespolizei, und damit auch unsere tolle Truppe in Hünfeld. Deren Arbeit wird in Zukunft nun in nicht wenigen Bereichen einfacher und effizienter. Das kann ich auch deshalb mit Überzeugung sagen, weil ich auch während der Beratungen zu diesem Gesetz immer wieder meine guten Kontakte zu den Praktikern in Hünfeld oder auch zur Spezialeinheit, der GSG9, genutzt und sozusagen an der Basis nachgefragt habe, wie sich bestimmte Dinge auswirken und was noch nötig ist.
Auch der Austausch mit der Gewerkschaft der Polizei (GdP) und der Deutschen Polizeigewerkschaft (DPolG) war intensiv und gut. Natürlich haben wir nicht alles durchsetzen können, denn die SPD ging nur bis zu einer bestimmten Kompromisslinie. Aber so ist es in der Politik, und anderswo auch: Man braucht Kompromisse, um Stück für Stück voranzukommen.

FRAGE: Das heißt der Standort wird auch in Zukunft profitieren?
BRAND: Ein klares Ja. Hünfeld war bei der letzten Bundespolizei-Reform existenziell gefährdet. Auch da habe ich mich sehr viel mit Praktikern ausgetauscht und in Berlin viele Gespräche geführt, damit der Standort eben nicht gestrichen wird. Und das hat sich komplett geändert: Heute redet kein Mensch mehr davon, im Gegenteil, der Standort wächst weiter stark - Hünfeld ist eine einzige Erfolgsgeschichte. Die große Motivation und Professionalität ist beeindruckend. Das verdient jede Unterstützung und auch mehr Respekt in der Breite der Gesellschaft.