Gefahren ernst nehmen

31.07.2019
Kolumne

Die Kolumne ist in der Fuldaer Zeitung am 31. Juli 2019 erschienen.

Michael Brand plädiert für mehr Investitionen in Sicherheit

„Wer zu spät kommt, den bestraft das Leben.“ Dieser historische Satz von Gorbatschow ist aktuell. Für Kreml-Chef Putin ist das Ende der Sowjetunion die „schlimmste Katastrophe des 20. Jahrhunderts“. Er will Russland wieder groß machen.

2014 wurde erstmals seit Hitler und Stalin in Europa ein Nachbarland überfallen und fremdes Territorium annektiert. Putin hatte gedroht, seine Armee könne in Stunden in Kiew sein. Es geht nicht um die Ukraine. Unsere EU-Nachbarn in Polen und im Baltikum warnen offen, bitten um Hilfe der NATO. Allen ist klar: Bleibt der Westen schwach, versucht Putin mehr.

Krieg ist heute (noch) mehr als Bombardieren und Besetzen. Neue, digitale Waffen können ebenfalls zig Tausende treffen, mit tödlichen Folgen. In den USA waren Wasser- und Energieversorgung (u.a. New York) Ziele russischer Angriffe. Deutschland könnte seine Bevölkerung derzeit davor nicht schützen.

Auf Putins Befehl gab es u.a. digitale Angriffe auf die USA (Wahlen 2016, 2018), Großbritannien (pro Brexit) Frankreich (Präsidentschaftswahlen 2016), EU (Europawahl 2019) und gegen viele andere Länder. Nicht wenige Experten sagen, dass wir uns bereits im digitalen Krieg befinden, den die Bevölkerung nur deshalb (noch) nicht spürt, weil er im digitalen Raum tobt. Putin verfolgt strategische Ziele: Er sieht den Westen als Feind, weil Freiheit sein Regime gefährden kann.

Wer die Drohung nicht ernst nimmt, den bestraft die Zukunft. Die traurige Erkenntnis lautet: Nur Abschreckung hält autoritäre Regime von Aggression ab. Viele Jahre haben in Deutschland Politik und Öffentlichkeit darauf gebaut, dass es in Europa keine militärischen Konflikte mehr gibt. Das war ein bitterer Irrtum.

Käme es akut zu einem Konflikt, stünde die Bundeswehr schwach da. Panzer, Flugzeuge, Fregatten, persönliche Ausrüstung sind teils nicht verfügbar oder in miserablem Zustand. Das können selbst beste Moral und Kampfkraft nicht ausgleichen. Langsam verbessert sich die Lage, aber es wird auf Jahre sehr massiv investiert werden müssen. Die Defizite sind hinreichend bekannt, sie müssen dringend beseitigt werden.

Völlig zu Recht hat deshalb die neue Verteidigungsministerin nicht nur der Truppe besonderen Respekt ausgedrückt. Sie hat auch eingefordert, dass wir aus eigenem Interesse die Zusagen gegenüber der NATO erfüllen und mehr in unsere Sicherheit investieren. Die Vereinbarung von 2014 trägt auch die Unterschriften von Obama, Merkel und Steinmeier. Es geht um globale Sicherheit, innerhalb der NATO und darüber hinaus, z.B. im Kampf gegen Terror.
Dass eine große Nation wie Deutschland, so wie andere Partner, zwei Prozent des Inlandsprodukts in Sicherheit investiert, ist nicht zu viel verlangt, sondern gut. Es sind Investitionen, die Freiheit und Wohlstand sichern. Und sie sichern uns: den Frieden.

Putin, andere Autokraten, internationaler Terror, digitaler Krieg – aktuell die Gefährdung der Seewege: Wer Bereitschaft für zwei Prozent Investition nicht aufbringt, kann am Ende 100 Prozent Sicherheit und Freiheit verlieren. Alleine kann das heute niemand stemmen: EU und NATO sind dafür überlebenswichtig. Die Antwort auf die Frage, was Sicherheit und Freiheit uns tatsächlich wert sind, ist eindeutig: Zwei Prozent sind viel, aber verdammt gut angelegt.