Draghis süßes Gift

01.10.2016

Die Kolumne "BRAND AKTUELL" ist am 1./2.10.2016 in der Wochenzeitung FULDA AKTUELL erschienen.

Gewöhnlich spricht der Präsident der Europäischen Zentralbank nicht in nationalen Parlamenten, da er das EU-Parlament als richtige Adresse sieht. Zu Recht hatten Abgeordnete des Bundestages auf die Begegnung mit Mario Draghi diese Woche in Berlin gedrängt, um den Unmut über den EZB-Kurs zu formulieren.

Die Notenbank ist unabhängig, aus gutem Grund. Aber man darf nicht blind sein gegenüber den Risiken, die sich aus der andauernden Niedrigzinspolitik ergeben. Besonders für Deutschland hat die lockere Geldpolitik der EZB negative Auswirkungen. Mini-Zinsen macht längerfristiges Sparen unattraktiv; Altersvorsorge, Lebensversicherungen, Kreditinstitute geraten unter Druck.

Draghi hat Recht mit dem Hinweis, dass Geschäftsmodelle der Banken so gestaltet sein sollten, dass sie auch Zeiten niedriger Zinsen aushalten. Es stimmt auch, dass Sparkassen und Genossenschaftsbanken eine Rendite haben, die eindeutig über dem Durchschnitt liegt, sowohl in Deutschland wie auch in der Euro-Zone.

Klar ist, dass wir aus der Niedrigzinspolitik nur rauskommen, wenn es nachhaltiges Wachstum gibt. In den Krisenländern braucht es Wille zu Eigenverantwortung, echten Reformen, Schuldenabbau und Investitionen.

Weil die EZB hier schon zu lange einspringt und Druck wegnimmt, lehnen sich reformunwillige Politiker zurück. Die EZB-Politik wirkt wie süßes Gift, ihre ständigen Reformappelle klingen inzwischen hohl.

Die Politik des billigen Geldes kann nicht dauerhaft weitergehen, gerade deutsche Sparer, Versicherer, Kreditinstitute wie unsere Sparkassen und Genossenschaftsbanken, um die uns viele beneiden, wären die Dummen. Eine Kurskorrektur ist dringend notwendig.