Beispiel an Haltung und Einsatz

03.06.2024
Beitrag

Michael Brand über Walter Lübcke

Er hatte Pläne gemacht, mit seiner Frau, für die Zeit nach seiner politischen Verantwortung. Der Enkel war erstmals zur Übernachtung bei den Großeltern. Dr. Walter Lübcke, ein ehemaliger Abgeordneter und zu diesem Zeitpunkt Regierungspräsident, war der erste Repräsentant unserer demokratischen Bundesrepublik, der von Rechtsextremisten ermordet wurde.

Als jemand, der ihn über 20 Jahre, seit seiner Zeit als Abgeordneter im Landtag von Hessen, kannte und mit ihm befreundet war, ist mir wichtig, dass er über sein Leben definiert wird, und nicht vor allem über seinen von einem feigen Mörder herbeigeführten, gewaltsamen Tod, auf der Veranda vor seinem Haus.

Walter Lübcke war ein konservativer, offener und für jeden Menschen nahbarer Charakter. Vom Pförtner bis zum Ministerpräsidenten, er behandelte alle freundlich, fair und gleich. Als Regierungspräsident, also als einer der wichtigsten Verwaltungschefs im Bundesland, hatte er für seinen großen Regierungsbezirk Kassel immer auch die praktische, die konkrete Wirkung der Entscheidungen von Politik mit im Blick. Auch deshalb ist er so häufig zu Veranstaltungen vor Ort gegangen, um den direkten Kontakt, den direkten Austausch mit den Bürgerinnen und Bürgern zu suchen, die berühmte Bodenhaftung zu festigen und aus den Hinweisen aus der Praxis vor Ort die Grundlagen für eine bestmögliche Umsetzung politischer Entscheidungen zu gewinnen.

Nicht nur die Reaktionen auf seinen Tod, sondern vor allem der Umgang der Menschen mit ihm zu Lebzeiten zeugen davon, dass ihm das sehr gut gelungen ist. Ich selbst war mehr als einmal Augenzeuge davon, wie beeindruckt, teils überrascht viele in den persönlichen Begegnungen mit ihm darüber waren, dass hier ein Regierungspräsident mit jedem so sprach, als wäre man Nachbarn, die über ein gemeinsames Problem ein freundliches, ernstes Gespräch miteinander führen. Und der Humor kam auch nicht zu kurz!

Ohne zu stark verallgemeinern zu wollen, kann man feststellen, dass der Walter-Lübcke-Stil des Umgangs von Staat, von Politikern mit Bürgerinnen und Bürgern sicherlich einer der besten Wege ist, und bleibt, um auch komplizierte, schwierige Themen miteinander besprechen zu können.

Selbstverständlich, nicht immer konnte der Regierungspräsident, als Repräsentant der hessischen Landesregierung,  alle Wünsche derer erfüllen, die sich an ihn wandten, die manchmal auf andere als die von Landesregierung oder Landtag demokratisch beschlossene Entscheidungen drängten. Aber selbst und vor allem in solchen Fällen gelang es Walter Lübcke in seiner im besten Sinne des Wortes hervorragenden Art, die Einwände ernst zu nehmen, die Gründe für seine Entscheidungen nachvollziehbar und transparent zu erläutern, und damit Respekt auch bei denjenigen für eine Entscheidung zu gewinnen. Dies gelang ihm, weil man erkannte, und anerkannte, dass sich hier jemand tatsächlich ernsthaft die Mühe machte, alle Seiten zu betrachten - und ernst zu nehmen! - und eben nicht die berüchtigte Entscheidung von oben, ohne Bodenhaftung, zu treffen.

Damit war er ein Beispiel, nicht nur für mich. Sein Beispiel an Haltung und Einsatz lebt auch nach dem feigen Mord an Walter Lübcke weiter. Es ist an uns, dieses Erbe eines aufrechten Demokraten zu wahren.

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