Drei Fragen zum 100. Geburtstag von Sophie Scholl an Michael Brand

21.05.2021
Interview

Das Interview ist am 15./16. Mai in der Wochenzeitung FULDA AKTUELL erschienen.

Herr Brand, wie kam es zu der sehr würdigen Ehrung für Sophie Scholl diese Woche in Fulda?

Das ist vor allem das Verdienst von Karl-Josef Hahner. Er will daran erinnern, dass im Stadtteil Ziehers-Nord sowohl Straßen nach mutigen Widerstandskämpfern gegen den Nationalsozialismus benannt sind und auch die Schule dort den Namen der Geschwister Scholl trägt. Die Stadt Fulda hat 1966 ein Denkmal für die „Weiße Rose“ errichtet. So eine Würdigung geschieht ja nicht von ungefähr, dabei haben sich die kommunalen Gremien ja etwas gedacht.
Und ich persönlich finde die Ehrung gerade der Geschwister Scholl besonders schön und auch zeitlos. Denn hier haben junge Menschen, aus christlicher Gesinnung heraus, unglaublich mutig und in sehr ziviler Art und Weise gezeigt, dass es eben nicht nur Nazis gab, sondern auch ganz normale, bürgerliche und christliche Deutsche, die sich eben diesem brutalen Dritten Reich entgegengestellt haben.

Was verbinden Sie persönlich mit Sophie Scholl und ihrem Bruder Hans Scholl?

Die Geschichte dieser beiden Geschwister kennt sozusagen jedes Schulkind in Deutschland, und das gilt auch für mich. Es ist eine unglaublich beeindruckende, auch persönlich berührende Geschichte, die heute noch hoch aktuell ist. Sie handelt von zwei sehr jungen Menschen, die sich, in gewisser Weise für uns alle, gegen ein Terrorregime gestellt haben. Wahrscheinlich sind sie nicht davon ausgegangen, dass sie dafür sogar mit ihrem Leben bezahlen müssten, aber sie haben es sicher nicht ausgeschlossen, denn dazu war das Regime einfach zu brutal.
Uns zeigt dieser Einsatz, dass es sich lohnt, solchen Beispielen von persönlichem Mut und Überzeugung gegen Unrecht eines totalitären Staates zu folgen, wenigstens klar Position zu beziehen. Heute können wir froh und auch furchtlos sein, weil Deutschland die Lehren aus der Geschichte gezogen hat und weil eine solche unmenschliche politische Führung in Deutschland nicht mehr möglich ist. Dafür bin ich, auch den Geschwistern Scholl mit ihrem Beispiel, dass über den Tod hinaus wirkt, wirklich dankbar.

Sehen Sie heute Herausforderungen, oder sogar Gefahren, die mit dem Beispiel der Geschwister Scholl in Verbindung gebracht werden können, oder überhaupt dürfen?

Es braucht schon eine Portion Verantwortung, mit dieser gewaltigen Wirkung der Geschwister Scholl richtig umzugehen. Man sollte sich nur dann auf diese enormen Vorbilder berufen, wenn man deren Geschichte auch gut genug kennt. Vor allem darf man das enorme moralische Gewicht dieser vorbildlichen Tat nicht dadurch entwerten, dass man sozusagen die Authentizität und die Reinheit dieses sprichwörtlich todesmutigen Einsatzes für billige Zwecke instrumentalisieren will.
So war der Vergleich einer Rednerin auf einer sogenannten „Querdenker“-Demo zu den Geschwistern Scholl nicht nur lächerlich, sondern auch einfach abstoßend. Es ist einfach unwürdig, solche großen Beispiele für die billige Alltagspropaganda missbrauchen zu wollen.
Allerdings, da bin ich ganz optimistisch: Die gewaltige Mehrheit der Bevölkerung weiß ja um die Besonderheit gerade der Geschwister Scholl, und sie wird den Versuch des Missbrauches dieser beiden nicht zulassen und es denjenigen negativ verbuchen, die es versuchen. Das gilt für extreme Linke wie für extreme Rechte, für „Querdenker“ und überhaupt für alle, die sich am Anstand und Mut dieser beiden vergehen, in denen sie diese große, hehre Tat für niedrige eigene Zwecke nutzen wollen.

Bildunterschrift: Ehrung zum 100. Geburtstag von Sophie Scholl: CDU-Orstvorsitzender Franz-Josef Hahner und MdB Michael Brand am "Platz der Weißen Rose" in Fulda