Der CDU-Abgeordnete Michael Brand hat eine Parlamentspatenschaft für den inhaftierten „Welt“-Journalisten übernommen. Viele türkische Richter seien heute „Erfüllungsgehilfen einer Verhaftungsmaschine“.
Michael Brand (CDU) ist der menschenrechtspolitische Sprecher der Unionsfraktion im Bundestag. Er hat für den in der Türkei inhaftierten „Welt“-Journalisten Deniz Yücel eine Parlamentspatenschaft übernommen.
Die Welt: Was ist das für eine Patenschaft, Herr Brand?
Michael Brand: Es gibt seit 2003 das Programm „Parlamentarier schützen Parlamentarier“ des Bundestages. Die Idee ist, dass Abgeordnete, die offen reden können, für diejenigen das Wort ergreifen, die das nicht können. Wir haben dann schnell festgestellt, dass es sinnvoll ist, das Programm auf Menschenrechtsverteidiger oder Journalisten auszudehnen. Aktuell haben 112 Abgeordnete für 128 Personen – die meisten sind nicht prominent – eine Patenschaft übernommen. Dazu zählt jetzt auch Deniz Yücel.
Die Welt: Wie kann das helfen?
Brand: Das hängt sehr vom Fall ab. Manche behandelt man diskret hinter den Kulissen. Manche müssen ins Licht der Öffentlichkeit, nach dem Motto: Es ist schwerer, Menschen am helllichten Tag umzubringen als im Dunkeln. Wenn Regierungen wissen, dass ihr Treiben beobachtet wird, ist das ein Schutz. Entscheidend ist immer, was den Betroffenen hilft. Vor allem sollen sie wissen, dass sie nicht allein sind, dass sich jemand kümmert und für sie einsetzt. „Es hilft, das Ganze durchzustehen“ – diesen Satz habe ich oft gehört.
Die Welt: Was können Sie im Fall Yücel tun?
Brand: Seine schnelle Freilassung fordern! Dafür suchen wir das Gespräch mit türkischen Parlamentariern, auch mit dem Botschafter hier in Berlin. Ich habe den Antrag auf einen Besuch bei Deniz Yücel gestellt, ihm auch einen persönlichen Brief geschrieben. In anderen Fällen versuchen wir, bei unserer Regierung Druck zu machen. Aber die ist in Sachen Yücel ja bereits sehr aktiv.
Die Welt: Was halten Sie von den Vorwürfen der Terrorpropaganda und der Aufwiegelung der Bevölkerung?
Brand: Diese Vorwürfe sind vorgeschoben. Die gesetzliche Terrordefinition in der Türkei ist ein Gummiparagraf, der Willkür Tür und Tor öffnet. In Wahrheit ist Deniz Yücel eine politische Geisel. Er wurde weggesperrt, weil er seine Arbeit gemacht hat. Und nicht nur er, hinter dem Vorgehen der türkischen Regierung steckt System. Bitterer Beleg dafür sind die laut „Reporter ohne Grenzen“ 150 Journalisten in türkischen Gefängnissen.
Die Welt: Die Türkei verweist auf die Unabhängigkeit ihrer Justiz …
Brand: … ein Märchen. Viele Richter sind zu Erfüllungsgehilfen einer Verhaftungsmaschine geworden. Die Mutigen in der Türkei, die den Mund noch aufmachen, werden zur Zielscheibe Erdogans. Von einem Mitgliedsstaat des Europarates im 21. Jahrhundert ist das nicht hinnehmbar.
Die Welt: Welche Konsequenzen sollte Deutschland ziehen?
Brand: Das Wichtigste: In den Grundsätzen klar bleiben, sich nicht wegducken. Aktuell erwarte ich von unseren Diplomaten ein klares Signal nach Ankara, dass in Deutschland kein Platz für Erdogans Wahlkampf ist. Ein Absegnen seines Präsidialsystems im Referendum wäre der nächste Schritt Richtung Diktatur. Der 16. April entscheidet viel, und es ist zu hoffen, dass sich die bessere Türkei durchsetzt.
Ich habe noch die Hoffnung, dass das gelingt. Wenn nicht, werden Deutschland und Europa nicht achselzuckend zur Tagesordnung übergehen können. Umso wichtiger ist es jetzt, die Gesprächsfäden nicht abreißen zu lassen, so schwierig das alles ist. Wir dürfen Erdogan nicht auf den Leim gehen und so tun, als ob alle in der Türkei so denken würden wie er. Viele trauen sich nicht mehr, den Mund aufzumachen. Umso mehr müssen wir die proeuropäischen Kräfte massiv unterstützen.
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