Koalitionsvertrag für Deutschland; Schwerpunkte und erste Bewertung

07.02.2018
Argument

Es war eine schwere Geburt – heute ist nach harten Verhandlungen ein wichtiger Durchbruch geschafft worden, der eine wichtige Etappe auf dem Weg zu einer stabilen Regierung ist. Sowohl ein Parteitag der CDU als auch die Mitgliederbefragung der SPD werden über das Ergebnis entscheiden.

Der Entwurf des KOALITIONSVERTRAGS (Stand: heute 15 Uhr), der um 15 Uhr dem CDU-Bundesvorstand und um 17 Uhr der CDU/CSU-Bundestagsfraktion zur Entscheidung vorgelegt wird, trägt den Titel „Ein neuer Aufbruch für Europa. Eine neue Dynamik für Deutschland. Ein neue Zusammenhalt für unser Land.“

Das 177-seitige Papier möchte ich Ihnen zeitnah zur Verfügung stellen, damit Sie sich ein eigenes Bild machen können.

Hier Link zum Papier

Auf den Seiten 4 und 5 findet sich eine einleitende Präambel, dann folgt eine kompakte Zusammenfassung der 14. Kapitel (S.6-18), die dann ausführlich (bis Seite 174) dargestellt werden. Auf S.175/176 finden sich die Grundsätze der Arbeitsweise der Regierung und Fraktionen.

Als Parlamentarier finde ich es notwendig und angemessen, den Bundestag als zentralen Ort der Debatte zu stärken. Deshalb wollen wir folgendes im Koalitionsvertrag vereinbaren:
„Die Fraktionen werden zweimal im Jahr zu internationalen und nationalen gesellschaftlichen Themen im Plenum Orientierungsdebatten führen. Wir wollen, dass die Bundeskanzlerin dreimal jährlich im Deutschen Bundestag befragt werden kann, und die Regierungsbefragung neu strukturiert wird. Diese Vorschläge werden wir mit den anderen Fraktionen im Deutschen Bundestag besprechen.“

Auf Seite 177 findet sich die Ressortverteilung. Neu ist ein Staatsminister für Migration, Flüchtlinge und Integration im Bundeskanzleramt, den die CDU stellen wird. Diese Mammutaufgabe, die uns viele Jahre beschäftigten wird, ist bei uns in den richtigen Händen. Das Innenministerium wird durch die wichtigen Bereiche Bau und Heimat gestärkt.

Wenn ich allerdings sehe, dass sich die Parteispitzen darauf geeinigt haben, dass die SPD neben dem Auswärtigen Amt, bei einem für Deutschland sehr wichtigen Bereich wie Steuer, Finanzen, Mittelstand sowohl das wichtige Finanzministerium als auch das Bundesministerium für Arbeit und Soziales erhält, könnte man fast glauben, dass die SPD mit ihren 20,5 % die Bundestagswahl gewonnen hätte!

Konkret steckt im neuen Koalitionsvertrag eine ganze Menge drin, konkrete Verbesserungen für die Bürgerinnen und Bürger, ein Arbeitsprogramm für die nächsten vier Jahre – mit Licht und auch Schatten. In wichtigen Bereichen wie Wirtschaft, Sicherheit und Familie ist klar die Handschrift der CDU/CSU erkennbar; gleichzeitig werden auch  Punkte festgeschrieben, auf die wir alleine nicht gekommen wären. Koalition heißt auch Abstriche machen. Insgesamt kann sich das Ergebnis sehen lassen. Hier einige Beispiele:

Solide Finanzen, keine Steuererhöhungen, im Gegenteil Entlastungen
Keine Erhöhung der Steuerbelastung für Bürgerinnen und Bürger. Entlastung beim Solidaritätszuschlag (erster Schritt Abschaffung für rund 90 Prozent der Soli-Zahler durch Freigrenze), starke Unterstützung für Familien, kleinere und mittlere Einkommen.
Ausgeglichener Haushalt und keine neuen Schulden.
Ziel Vollbeschäftigung, Stärkung Mittelstand und Wirtschaftsstandort Deutschland, Gigabit-Anschlüsse für alle Gewerbegebiete, Ausbau Industrie 4.0, steuerliche Forschungsförderung für kleine und mittelgroße Unternehmen.

Offensive für Bildung, Forschung und Digitalisierung
Wir investieren auf Rekordniveau in bessere Bildung: 2 Milliarden Euro für Ausbau Ganztagsschul- und Betreuungsangebote. Digitalpakt Schule mit 5 Milliarden Euro in 5 Jahren für starke Digital-Infrastruktur an allen Schulen, gemeinsame Cloud-Lösung für Schulen und Qualifizierung der Lehrkräfte.
Stärkung berufliche Bildung. Aufstiegs-BAföG für Gleichwertigkeit von akademischer und beruflicher Bildung. Höhere Zuschüsse für Techniker, Meister und Fachwirte.

Die Bundesmittel für den Hochschulpakt werden dauerhaft verstetigt –insbesondere auch die Hochschule Fulda profitiert erheblich, weil sie von diesen Mittel nicht unerheblich abhängig ist für die Qualität von Forschung und Lehre und die Berufschancen der Studierenden.

Gigabit-Netze in alle Regionen
10 bis 12 Milliarden Euro für flächendeckende Glasfaser-Netze, möglichst direkt bis zum Haus. Beseitigung bestehender Funklöcher. Vorreiterrolle beim Aufbau des Echtzeit-Mobilfunkstandards 5G. Freies WLAN an allen öffentlichen Einrichtungen, Zügen und Bahnhöfen der Deutschen Bahn.
Das Ziel lautet: Glasfaser in jeder Region und jeder Gemeinde, möglichst direkt bis zum Haus. Schulen, Gewerbegebiete, soziale Einrichtungen in der Trägerschaft der öffentlichen Hand und Krankenhäuser werden wir bereits in dieser Legislaturperiode direkt an das Glasfasernetz anbinden.

Verkehr, Infrastruktur, Lärmschutz
Investieren auf Rekordniveau. Fortsetzung des Investitionshochlaufs für die Infrastruktur. Planungsbeschleunigungsgesetz, u. a. zur Vereinfachung von Verfahren und Digitalisierung von Planen und Bauen. Eine zusätzliche Milliarde für den regionalen Verkehr (GVFG). Mehr Investitionen in den Lärmschutz der Bürgerinnen und Bürger. Stärkung Schiene mit Schienenpakt 2030 und Elektrifizierung von 70 Prozent des Schienennetzes bis 2025.

Zuwanderung von Fachkräften
Fachkräfteeinwanderungsgesetz, das den steigenden Bedarf an Fachkräften durch Erwerbsmigration neu und transparent regelt. Orientierung an volkswirtschaftlichen Erfordernissen als auch an Qualifikation, Alter, Sprache, Nachweis eines konkreten Arbeitsplatzes und Sicherung des Lebensunterhalts.

Innere Sicherheit, Steuerung und Begrenzung
Pakt für Rechtsstaat mit zusätzlich 15.000 Stellen für unsere Sicherheitsbehörden (7.500 im Bund, 7.500 in den Ländern). 2.000 Stellen in der Justiz (Gerichte, Staatsanwaltschaften, Vollzugsbehörden). Neuregelung der Opferentschädigung.
Steuerung und Begrenzung von Migration, Zuwanderung begrenzt auf Spanne von jährlich 180.000 bis 220.000 (analog dem Richtwert CDU/CSU von 200.000).
Klare Regeln für Familiennachzug und Härtefallregelung. Diese sieht vor, dass nur unter bestimmten Auflagen 1.000 Menschen pro Monat der Nachzug ermöglicht wird – im Gegenzug laufen die EU-bedingten 1.000 freiwilligen Aufnahmen pro Monat aus Griechenland und Italien aus.
Fluchtursachenbekämpfung in Entwicklungszusammenarbeit. Erweiterung der Liste der sicheren Herkunftsstaaten.
Wirksamer Schutz der Binnengrenzen und Ausbau der europäischen Grenz- und Küstenwache FRONTEX zu einer echten europäischen Grenzschutzpolizei.
Schnelle, umfassende und rechtssichere Verfahren
Schaffung von Aufnahme-, Entscheidungs- und Rückführungseinrichtungen für die Beschleunigung von Asylverfahren. Unabhängige und flächendeckende Asylverfahrensberatung. Verbesserung von freiwilliger Rückkehr und konsequenter Abschiebung von vollziehbar Ausreisepflichtigen.

Stärkung von Familien
Erhöhung Kindergeld in zwei Schritten um 25 Euro pro Monat und Kind und entsprechende Anpassung Kinderfreibetrag. Neues Baukindergeld 1200 Euro pro Jahr und Kind, das über einen Zeitraum von zehn Jahren gezahlt wird. Bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf.

Rente
Einführung einer Grundrente 10 Prozent über der Grundsicherung für alle, die ein Leben lang (35 Beitragsjahre) gearbeitet haben, unter Einbeziehung von Kindererziehungs- und Pflegezeiten. Bessere Verschonungsregel für selbstgenutztes Wohneigentum. Bessere Anerkennung von Erziehungszeiten durch Mütterrente II, so dass die Verbesserungen bei der Mütterrente durch einen 3. Rentenpunkt pro Kind für Mütter und Väter gelten, die drei und mehr Kinder vor 1992 zur Welt gebracht haben. Verbesserungen bei der Erwerbsminderungsrente. Anreize für Flexi-Rente.

Pflege / Gesundheit
Sofortprogramm Pflege mit 8000 neuen Fachkraftstellen und besserer Bezahlung. „Konzertierte Aktion Pflege“ mit besserem Personalschlüssel und Ausbildungsoffensive für Pflegerinnen und Pfleger. Abbau finanzieller Ausbildungshürden bei der Pflegeausbildung. Unterstützung von Kindern pflegebedürftiger Eltern: Kein Rückgriff auf Einkommen bis 100 000 Euro im Jahr. Stärkung ambulante Alten- und Krankenpflege im ländlichen Raum.
Mehr Investitionen in Krankenhäuser. Mehr Medizinstudienplätze und Landarztquote. Abschaffung Schulgeld für alle Gesundheitsberufe. Förderung Telemedizin. Ärztinnen und Ärzte, die in wirtschaftlich schwachen und unterversorgten ländlichen Räumen praktizieren, werden über regionale Zuschläge besonders unterstützt.
Stärkung der Apotheken vor Ort: Einsatz für Verbot des Versandhandels mit verschreibungspflichtigen Arzneimitteln.

Lebenswerte Städte, attraktive Regionen und bezahlbares Wohnen
Gemeinsame Kommission „Gleichwertige Lebensverhältnisse“ aus Bund, Ländern und Kommunen. Neues gesamtdeutsches Fördersystem für strukturschwache Regionen. Überjährige Bündelung von Regionalfördermitteln für die Finanzierung von Regionalprojekten vor Ort. Fortführung der Entlastungen der Kommunen, u. a. bei Städtebau und Zuwanderung und Integration. Start einer Wohnraumoffensive.

Europa / Türkei
In den Beziehungen zur Türkei sollen bei den Beitrittsverhandlungen weder neue Kapitel geschlossen noch neue geöffnet werden. Ohne Erfüllung der Verpflichtungen keine Visa-Liberalisierung und Zollunion.

Religionsfreiheit/ Einsatz für verfolgte Christen
Diesen Bereich – aber auch den Bereich Außen, Menschenrechte, Verteidigung, Bundeswehr, Entwicklung – habe ich in den letzten Wochen für die CDU/CSU verhandelt mit konkretem Erfolg:
Wir werden das Amt der/des Beauftragten der Bundesregierung für weltweite Religionsfreiheit schaffen. Wir werden den Bericht der Bundesregierung zur weltweiten Lage der Religionsfreiheit im zweijährigen Rhythmus und systematischen Länderansatz fortschreiben.
Religionsfreiheit ist ein zentrales Menschenrecht, das weltweit zunehmend eingeschränkt oder komplett infrage gestellt wird. Als C-Partei engagieren wir uns besonders für Religionsfreiheit - dazu zählt der beharrliche Einsatz für viele Millionen verfolgter Christinnen und Christen.

Meine künftige Arbeit
In der letzten Woche bin ich in geheimer Wahl mit 98,2 Prozent zum Sprecher für Menschenrechte und Humanitäre Hilfe der CDU/CSU-Bundestagsfraktion gewählt worden, zugleich in das Führungsgremium der größten Regierungsfraktion, dem Fraktionsvorstand.

Ein tolles Ergebnis, über das ich mich freue. In diesem Gremium spielt die komplette Themenpalette eine Rolle, von schnellem Internet, über Verkehrsprojekte, Mittelstand sowie der ländliche Raum - das hilft auch sehr bei der Wahlkreisarbeit, die weiter mein Schwerpunkt bleiben wird.

Beim Thema Menschenrechte werde ich meiner Linie treu bleiben; trotz mancher Widerstände die Dinge beim Namen zu nennen und für Veränderungen zu kämpfen.
Neben dem Fraktionsvorstand, gehöre ich also künftig dem Ausschuss für Menschenrechte und Humanitäre Hilfe an sowie neu dem Innenausschuss:
Bewusst habe ich mich für den Wechsel in den Innenausschuss entschieden. Das Thema Innere Sicherheit ist das Top-Thema der nächsten Jahre. Steuerung, Terrorbekämpfung und Integration gehören zu den großen Herausforderungen für unser Land auf lange Zeit.

Noch nie war der Innenausschuss so nachgefragt wie diesmal – dreimal so viele Abgeordnete als vorgesehene Sitze hatten ihr Interesse bekundet, umso mehr freue ich mich, dazuzugehören. Und mit einem Bundespolizei-Standort im Wahlkreis, für den wir jüngst eine zusätzliche Einsatzhundertschaft sowie eine neue Anti-Terror-Einheit durchgesetzt haben, werde ich für die anstehenden Millionen-Investitionen in Hünfeld kämpfen. Dem Verteidigungsausschuss werde ich als stellvertretendes Mitglied treubleiben.

Ausblick
Eine stabile Regierung ist ein Wert an sich, das haben die letzten Monaten sehr deutlich gezeigt. Die eingetretene Situation ist bislang einzigartig in der Geschichte unseres Landes – und alle müssen sich bewegen. Alle Parteien, die künftig regieren wollen, haben eine besondere Verantwortung.

Und natürlich geht es um Inhalte und da habe ich Erwartungen:

Dass vorhandene Unterschiede stärker sichtbar gemacht und die Debattenkultur gestärkt werden muss, liegt auf der Hand. Ein Wahlkampf, der weitgehend darauf verzichtet, konkret Stellung zu beziehen, reicht nicht aus. Das hat uns wichtige Prozentpunkte gekostet und letztlich auch in diese Situation gebracht.
Mehr Profil zeigen, das erwarte ich von den Parteispitzen in Berlin und Wiesbaden und werde es einfordern. Für diesen Kurs bitte ich schon heute um Unterstützung.

Wir haben keine Zeit für politisches Zocken. Ich hoffe, dass genügend Leute in der SPD dies bei der Mitgliederbefragung bedenken. Wir sind nicht dazu da, uns eine Welt zu „backen“. Wir sind gewählt, um aus dem Ergebnis das Beste zu machen. Das bleibt schwer genug, ist aber unsere verdammte Pflicht und unsere Verantwortung.

Besonders heute freue mich auf Reaktionen und Gespräche in den nächsten Tagen. Dieser Austausch ist mir gerade in diesen Zeiten wichtig, schon jetzt danke dafür.