Kein Schluss-Strich

02.05.2016

Die Kolumne "BRAND AKTUELL" ist am 30.4./1.5.2016 in der Wochenzeitung FULDA AKTUELL erschienen.

Einige wollten sie 1989/90 am liebsten verbrennen. Andere kämpften für ihre Sicherung. Ohne Zweifel: Der Zugang zu den Stasi-Akten hat viel Wahrheit ans Licht, Opfern Ehre (zurück)gebracht. Der Versuch, vor allem von Tätern und Helfern, das Archiv zu schließen, ist immer wieder am Widerstand des Parlaments gescheitert.

Streit gibt es nun um den Vorschlag einer Kommission: Es geht um die künftige Arbeit der Behörde des Bundesbeauftragten für Stasi-Unterlagen. Weit über 60.000 Anträge auf Akteneinsicht wurden allein im letzten Jahr gestellt. Die Nachfrage ist weiter hoch, bei Betroffenen, Journalisten, Wissenschaftlern.

Klar ist: Die Archive müssen offen bleiben. Sie sind unverzichtbar für die Auseinandersetzung mit der SED-Diktatur, auch Teil notwendiger Erinnerungskultur.

Der Stasi-Beauftragte Roland Jahn fordert die Arbeit auszuweiten: Keine Fixierung auf die Akten allein, sondern den Blick auf die SED-Diktatur insgesamt zu werfen. So könnten die Belange aller Opfer des Unrechtsstaats besser unterstützt, Opposition und Widerstand besser gewürdigt werden.

Die Nutzung gerade historischer Orte wie Point Alpha oder in Berlin der frühere Stasi-Knast Hohenschönhausen oder das Mielke-Ministerium bietet künftigen Generationen die Chance, das System Diktatur zu begreifen. Diese Einrichtungen müssen weiter gestärkt; die letzten beiden dürfen nicht - wie aktuell vorgeschlagen - fusioniert werden. Für Aufarbeitung darf es keinen Schlussstrich geben.

Dass in Deutschland nach der Friedlichen Revolution durch den Bundestag eine eigene Institution geschaffen wurde, die Aufarbeitung durch den Zugriff auf die Akten der Geheimpolizei ermöglicht, hat weltweit Maßstäbe gesetzt. Roland Jahn hat Recht: Die Arbeit ist nicht beendet. Es geht um Antworten auf grundlegende Fragen von Diktatur und Demokratie – mit großem Potential für den „Erkenntnisgewinn zukünftiger Generationen und für die Stärkung unserer Demokratie“.

Aufarbeitung schadet nicht, im Gegenteil.