Im LAZ-Interview: Michael Brand spricht über seine Kandidatur, Ziele und die AfD

21.11.2016

VOGELSBERGKREIS/FULDA - Michael Brand möchte im kommenden Jahr wieder in den Bundestag einziehen. Eigentlich sollte der Christdemokrat bereits in dieser Woche von den Delegierten des Vogelsbergkreises und des Landkreises Fulda als Kandidat des Wahlkreises 174 Fulda-Lauterbach nominiert werden. Wegen wahltechnischer Pannen wurde die Wahlkreiskonferenz jedoch abgesagt und verschoben. Über eine mögliche vierte Legislaturperiode, über Erreichtes, neue Aufgaben und die Konkurrenz der AfD, die mit seinem Vorgänger im Amt, Martin Hohmann, im Wahlkreis 174 antreten wird, sprach unsere Zeitung mit dem 43-jährigen Fuldaer.

Herr Brand, in dieser Woche sollten Sie eigentlich wieder als Kandidat für den Bundestag nominiert werden. Wegen möglicher Formfehler einzelner CDU-Verbände bei den Delegiertenwahlen wurde der Parteitag verschoben. Sind Sie enttäuscht?

Natürlich hatte ich mich auf den Abend gefreut, auch viele Freunde. Fehler passieren, ärgerlich, aber es gibt wirklich Schlimmeres. Anfang 2017 ist es ja soweit.

Drei Legislaturperioden liegen hinter Ihnen, Sie sind mit Ihren 43 Jahren schon ein alter Hase im Berliner Politikbetrieb. Was haben Sie durch Ihr Mandat bisher Wichtiges erreicht? Speziell auch für die Region Fulda-Lauterbach? Nennen Sie uns die drei wichtigsten Dinge.

Mein Schwerpunkt liegt im Wahlkreis, hier bin ich direkt gewählt, das gibt mir auch im Berliner Betrieb die Freiheit, meinen eigenen Kopf zu behalten, wie bei der Nein-Stimme gegen den Euro-Rettungsschirm ESM. Dass wir für Fehler anderer haften sollen, halte ich für falsch.

Jetzt konkret: Für Lauterbach, den Vogelsberg, ist es gelungen, viele Millionen Euro loszureißen unter anderem aus den Konjunkturprogrammen, der Städtebauförderung oder dem Kommunalen Investitionsprogramm für Straßenbau, energetische Sanierung und Denkmalschutz. Dass auch durch persönliches Reinknien die „Gut Stubb“, die Adolf-Spieß-Halle, mit zwei Millionen Euro massiv unterstützt wird, auch das BZL und der im ländlichen Raum so wichtige Breitband-Ausbau, das macht mich auch stolz.

Zweitens ist es nach Jahrzehnten gelungen, erstmals Planungsmittel für den Ausbau der ICE-Strecke Fulda-Frankfurt zu erhalten – wenige haben das für möglich gehalten. Das ist eine strategische Entscheidung für die gesamte Region Osthessen; von Fulda über Lauterbach, Schlitz bis Alsfeld. In 2017 will die Deutsche Bahn eine Vorzugstrasse vorlegen, wir bleiben dran.

Drittens bin ich glücklich, dass wir eine doppelte Entscheidung für Menschlichkeit und Würde in schwieriger Lebenssituation erkämpft haben, manche sprechen sogar von einem politischen Wunder: das Verbot der geschäftsmäßigen Suizidbeihilfe und vor allem starke Verbesserungen bei der Palliativ- und Hospizversorgung. Das hilft auch konkret im Vogelsberg. Dass ich im Bundestag federführend die fraktionsübergreifende Gruppe koordinieren konnte, wird mir wertvoll bleiben. Das Arbeiten über Parteigrenzen hinweg sollte öfters stattfinden.

Was reizt Sie an Ihrer Tätigkeit als Abgeordneter auch nach fast zwölf Jahren noch?

Für meine Heimatscholle etwas zu erreichen, das ist meine größte Motivation! Die Arbeit gibt viel, sie fordert aber auch viel – von einem selbst, vor allem auch der eigenen Familie. Mit Anfang 40 und drei Kindern im Alter zwischen 4 und 11 Jahren steht man im realen Leben. Meine Frau leistet hier viel, sie hält mir vielfach den Rücken frei, so dass ich meinen Traumjob mit viel Einsatz so ausüben kann. Als Vorsitzender des Menschenrechtsausschusses bin ich über den Wahlkreis hinaus in Verantwortung bei einem sensiblen, auch brutalen Thema – gerade in einer Welt in Unruhe Rädchen in die richtige Richtung zu bewegen, das motiviert. Das innere Feuer brennt, deshalb bewerbe ich mich wieder um das Mandat!

Wie lief es aus Ihrer Sicht mit der Großen Koalition und ihrer Kollegin von der SPD, Birgit Kömpel? In den Monaten bis zur Wahl im kommenden September sind Sie ja Koalitions-Kollegen und Kontrahenten gleichermaßen?!

Ich schaue weniger nach anderen, mache stattdessen meine Arbeit, versuche andere zu überzeugen und Mitstreiter zu gewinnen. Das kleine Karo der Parteipolitik liegt mir nicht.

Im Jahr 2005 kandidierten Sie das erste Mal für den Bundestag und hatten es mit Ihrem aus der Partei ausgeschlossenen Vorgänger im Amt, Martin Hohmann, zu tun, der Ihnen „nur“ 39,1 Prozent der Stimmen einbrachte und selber 21,5 Prozent holte. Jetzt ist Martin Hohmann zurück und kandidiert für die AfD. Sein Einzug über die Landesliste in den Bundestag mit Platz 4 könnte klappen. Er ist ein ernst zu nehmender Gegner. Wird er der CDU/Ihnen wieder das Ergebnis verhageln?

Da hilft ein Blick auf die Fakten: 2005 ist es gelungen mit Unterstützung vieler das Direktmandat gegen einen amtierenden Abgeordneten zu erringen. Ich denke nicht für Sprüche, sondern wegen konkreter Arbeit und Verlässlichkeit haben mir die Wähler bei den letzten beiden Wahlen diesen Kurs mit fast 20 Prozent mehr honoriert – für diesen Zuwachs gibt es bundesweit kein zweites Beispiel. Diese 58,3 Prozent haben mich auch demütig gemacht, denn das heißt Verantwortung. In der Region habe ich mit der Erststimme sogar viele Stimmen mehr als meine Partei erhalten – aus allen politischen Lagern. Meine Haltung bleibt: Ich mache meine Arbeit, da gibt es genug zu tun. Hohmanns Kandidatur sehe ich gelassen. Und für jede Wahl gilt, jeder Bewerber wird ernst genommen.

Wie werden Sie im jetzt bevorstehenden Wahlkampf auf ihn und die Rechtspopulisten reagieren? Er spricht die klassische Wählerklientel der CDU in Ihrem Wahlkreis an.

Einspruch, auch hier sind die Fakten anders. Bei den zurückliegenden Landtagswahlen hat nicht die CDU, sondern haben SPD und Linke die meisten Stimmen an die AfD verloren. Die CDU war auch nie eine rechte Partei, die CDU ist eine „C“-Partei – vor allem deshalb ist sie meine politische Heimat, mit besonderer Kompetenz bei Wirtschaft und Sicherheit. Die wenigsten trauen der AfD Lösungen zu. Wie darauf reagieren? Berechtigte Sorgen muss Politik ernst nehmen, darf sie schon gar nicht in die „rechte Ecke“ stellen. Und wir sollten auch nicht so tun, als gebe es nur noch das Flüchtlingsthema. Vieles wird angepackt, ohne dass es Beachtung findet. Deutschland ist wirtschaftlich stark und stabil, hat einen großen Zusammenhalt.

Was sind Ihre Themen für die kommenden vier Jahre für die Region?

Diejenigen entlasten, die den Karren ziehen, die Mittelschicht, also den Mittelstand, die kleinen und mittleren Einkommen; viel für Sicherheit, bessere Integration mit Rechten und natürlich Pflichten, mehr für Familien, bessere Forschung und natürlich alles, was dem Wahlkreis nutzt.

Das Interview ist am 19.11.16 im "Lauterbacher Anzeiger" erschienen.

ZUR PERSON

Michael Brand ist 43 Jahre alt und lebt mit seiner Frau und seinen drei Töchtern in Fulda. Er gehört seit 1993 der CDU an. Er studierte Politik, Geschichte und Rechtswissenschaft in Bonn und war nach dem Abschluss seines Studiums bis 2005 Pressesprecher der CDU-Fraktion im Hessischen Landtag sowie des CDU-Landesverbandes Hessen. Seit 2005 gehört er dem Bundestag an und gewann den Wahlkreis 174 Fulda-Lauterbach dreimal direkt. Bei der Bundestagswahl 2005 erhielt Brand im Wahlkreis Fulda 39,1 Prozent der Erststimmen und zog damit als direkt gewählter MdB in den Bundestag ein. Bei der Bundestagswahl 2009 erhielt Brand 49,8 Prozent der Erststimmen und bei der Bundestagswahl 2013 58,3 Prozent. Er ist Mitglied im Verteidigungsausschuss, gehört dem Ausschuss für Menschenrechte und humanitäre Hilfe und dem Unterausschuss „Zivile Krisenprävention und vernetzte Sicherheit“ an, stellvertretendes Mitglied ist er im Haushaltsausschuss, zudem ist er Vorsitzender der Parlamentariergruppe Bosnien-Herzegowina und Mitglied der Deutsch-Südosteuropäischen Parlamentariergruppe. Zum Wahlreis gehören neben den 23 Kommunen im Landkreis Fulda die Vogelsberg-Kommunen Freiensteinau, Grebenhain, Grebenau, Herbstein, Lauterbach, Lautertal, Schlitz, Schwalmtal, Ulrichstein, Wartenberg.