Hessen fest im Blick

04.01.2019
Interview

CDU-Landesgruppenchef Brand redet Klartext
Das Interview ist am 04. Januar 2019 in der Offenbach-Post erschienen.

Offenbach – Für Michael Brand ist es eine klare Sache. Es sei zu viel in Berlin gestritten worden. Noch immer ist der Vorsitzende der hessischen CDU-Landesgruppe im Bundestag sauer auf Horst Seehofer, wenn er über das „unsägliche Schauspiel um Herrn Maaßen“ spricht oder die Frage, ob Deutschland im Alleingang Flüchtlinge an der Grenze abweisen kann, die bereits in einem anderen EULand registriert sind. „Seehofer hat es ohne Not auf die Spitze getrieben, sodass der Stabilitätsanker CDU/CSU, auch die Koalition insgesamt, zu platzen drohte.“

Herr Brand, bitte vervollständigen Sie den Satz: Chef der Christdemokraten aus Hessen im Bundestag zu sein bedeutet für mich...
Neue Chancen, mehr zu gestalten, und natürlich mehr Verantwortung. Jedenfalls macht es bislang Freude, mit den anderen MdBs aus Hessen noch enger zusammen zu arbeiten, zu koordinieren und zu führen.
Was genau ist Sinn und Zweck des Zusammenschlusses, der in der öffentlichen Wahrnehmung ja kaum eine Rolle spielt – anders als etwa der ihrer bayerischen Kollegen?
Die CSU ist eine eigene Partei, deshalb hat sie eine besondere Funktion in der Fraktion. Die CDU-Landesgruppe mit ihren 17 Abgeordneten, übrigens alle direktgewählt, ist Forum für Austausch und auch zur Durchsetzung unserer Interessen.
Welches hessische Thema ist für die Landesgruppe gerade das wichtigste auf der Bundes-Agenda? Was wollen Sie in dieser Legislaturperiode unbedingt durchsetzen?
Wir haben als CDU-Landesgruppe Hessen aber auch die CDU-Positionen im Blick. Das heißt, unser Fokus als Mitglieder im Bundestag richtet sich natürlich auf die ganze Breite der Bundespolitik, von Gesundheit über Mittelstand bis Wohnen und mehr. Mit Blick auf Hessen geht es um die großen Infrastruktur-Projekte wie Schiene oder Straße, auch um Digitalisierung von Schule, und um die Beziehungen von Hessen zum Bund. Dafür sind auch die Abgeordneten im Landtag und die Landesregierung zuständig. Es geht also insgesamt um bessere Koordinierung, um für Hessen das Beste zu erreichen und rauszuholen.
Ihre Wahl erfolgte parallel zu der des neuen Fraktionschefs Ralph Brinkhaus. Sie haben mit Michael Meister einen Staatssekretär aus dem Amt des Landesgruppensprechers geboxt. Was sagt das über die Stimmung in der hessischen CDU aus?
Die war nicht ganz parallel, sie war einen Tag früher. Geboxt haben wir auch nicht, sondern einen sehr offenen und kameradschaftlichen Austausch über den Kurs der Landesgruppe geführt, und dann gewählt. Wir Hessen haben das sehr, sehr kollegial geregelt, wie auch Ralph Brinkhaus das geschafft hat. Das ist offen und respektvoll im Stil und neu in der Art. Und es hat in beiden Fällen Dynamik für die politische Arbeit gebracht.
Verraten Sie uns, ob Annegret Kramp-Karrenbauer ihre Stimme bei der Wahl zur CDU-Chefin bekommen hat?
Sie sind nicht der Erste, der fragt, und sicher nicht der Letzte, den ich auf das Wahlgeheimnis hinweise. Wir hatten starke Kandidaten, und wir haben jetzt eine starke Vorsitzende. Und die CDU, das ist das Wichtigste, ist nun auch wieder stärker, wie man an den Umfragen sieht.
Wie erleben Sie Ihre Fraktion und Ihre Partei nach den Wahlen von Brinkhaus und Kramp-Karrenbauer? Würden Sie von einer Neuausrichtung sprechen?
Es geht um andere Atmosphäre, offenen Stil, bessere Einbindung der Abgeordneten und damit auch um bessere Ergebnisse. Wo mehr miteinander geredet wird, kommt oft die beste Lösung raus. Die Fraktion war zu lange nur als Vollzugsorgan der Regierung betrachtet worden, das war nicht mehr gut. Mit der Kombination aus hoher fachlicher Qualität, klarer Haltung und auch Offenheit bei Ralph Brinkhaus, wie übrigens auch bei Annegret Kramp-Karrenbauer, haben wir spürbar Rückenwind bekommen. Und auch die Bundeskanzlerin ist doch erkennbar entspannt. Eine gute Arbeitsatmosphäre hilft auch dabei, gute Ergebnisse hinzubekommen.
Sie haben Horst Seehofer einige Male scharf attackiert. In einer gemeinsamen Fraktion nicht gerade die feine Art ...
Na, meinen Sie, das fällt einem leicht, so gegenhalten zu müssen, gegen einen Minister aus den eigenen Reihen? Das muss ja wohl Gründe haben – und die gab es. Wer erinnert sich nicht an das unsägliche Schauspiel um Herrn Maaßen und ein Detail der Migration im Sommer? Horst Seehofer hat es ohne Not auf die Spitze getrieben, sodass der Stabilitätsanker CDU/CSU, auch die Koalition insgesamt zu platzen drohte; mit allen Konsequenzen, die das für Europa in turbulenter Zeit bedeutet hätte. Und ärgerlich: Es lenkte von den Erfolgen der letzten Jahre beim Thema Migration, auch Sicherheit ab. Und „Dank“ diesem Dauer-Zoff sind konkrete Erfolge wie Entlastungen für Familien oder bessere Pflege von vielen Leuten überhaupt nicht wahrgenommen wurden. Da musste mal Klartext geredet werden, um endlich wieder auf vernünftigen Kurs zu kommen. Die Leute haben uns doch für verrückt erklärt, und CSU wie CDU wurden bei den beiden Landtagswahlen wegen des Theaters abgestraft. Ich bin froh, dass das vorbei ist, und ich hoffe, dass wir das nicht wieder erleben müssen.
Das Gespräch führte Angelika Dürbaum.

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