Ein Jahr danach: Über Ängste, Gerede und Problemlöser

27.09.2016

Der Namensbeitrag ist am 28. September 2016 in der Fuldaer Zeitung erschienen. Michael Brand wirbt um Achtsamkeit auch bei der Sprache. Der Autor (42) ist direkt gewählter Bundestagsabgeordneter im Wahlkreis Fulda.

Hinter uns liegt ein Jahr, in dem uns vieles abverlangt wurde, in dem viele mit angepackt haben und viele über sich hinausgewachsen sind. So hat es die Bundeskanzlerin formuliert. Und sie hat eigene Fehler eingeräumt, die Botschaft vermittelt, dass sich eine Situation wie 2015 nicht wiederholen darf.

Was wurde seither nicht alles beschworen? Staatsversagen, gar eine Herrschaft des Unrechts oder Destabilisierung. Ja, die Lage im Herbst 2015 war dramatisch. Destabilisiert wurden allerdings allzu schnell die Maßstäbe und die Verhältnismäßigkeit der Debatte.

Angesichts von Verrohung der Sprache und dem messbaren Anstieg fremdenfeindliche Gewalttaten, besonders in Ostdeutschland, fürchtet die deutsche Wirtschaft inzwischen um das Image deutscher Produkte, den guten Standort. Kardinal Marx hat Recht, wenn er dieser Tage in Fulda hinweist, dass die bloße Verengung auf die Frage, wie Deutschland Flüchtlinge loswerden könne, die Sicht auf die Ursachen einer globalen Krise und Lösungen verstelle. Man dürfe nicht „kaputt reden, was alles geleistet wurde“.

Manche Wortmeldung heute beschreibt die Situation im September 2015, aber nicht die Realität 2016. Politik hat reagiert: Es ist zu einer drastischen Reduzierung der Flüchtlingszahlen gekommen, die Außengrenzen werden deutlich besser geschützt.

Dafür gibt es konkrete Gründe: Einstufungen als sichere Herkunftsstaaten, Verschärfung des Asyl- und Ausländerrechts, Verbesserungen beim BAMF, mehr für Sicherheit, Integrationsgesetz, EU-Türkei-Abkommen, über 13.000 direkte Zurückweisungen 2016 an der deutschen Grenze; mehr Unterstützung, um Flüchtlingen vor Ort zu helfen. Regelungen wurden überdacht, Abläufe verbessert, Entscheidungen schneller getroffen.

Weitere Maßnahmen folgen wie bessere Integration, Drittstaatenabkommen mit afrikanischen Ländern, Afghanistan, Pakistan für eine effektive Rückführung von Ausreisepflichtigen. Die Länder an den EU-Außengrenzen dürfen nicht alleine gelassen werden, alle in Europa müssen in die Pflicht genommen werden. Fluchtursachen müssen ernsthaft bekämpft werden, dazu gehört auch eine aktivere Politik in Afrika.

Das Gerede mancher Politiker, Meinungsmacher, Medien über „destabilisierende Verhältnisse und versagende Ordnung“ ist der Polarisierung vorausgegangen. Manche sind auch schlicht auf Katastrophen angewiesen, um ihr politisches Süppchen zu kochen.

Das Erstarken der AfD bei den jüngsten Landtagswahlen hat ganz sicher auch mit der Flüchtlingsfrage zu tun, allerdings auch mit landesspezifischen Themen, prinzipieller Angst vor Veränderungen, Globalisierung – von der wir stark profitieren.

Wie darauf reagieren? Berechtigte Sorgen muss Politik ernst nehmen, darf sie schon gar nicht in die „rechte Ecke“ stellen. Wer gefährliche Vereinfacher entzaubern will, ist gut beraten, nicht selbst so zu reden und so zu tun, als wäre es etwas anderes, wenn Demokraten so sprechen.

Wir sollten auch nicht so tun, als gebe es nur noch das Flüchtlingsthema. Vieles wird angepackt, ohne dass es Beachtung findet. Deutschland ist wirtschaftlich stark und stabil, hat einen großen Zusammenhalt.

Zum dritten Mal in Folge kommt der Bundeshaushalt ohne neue Schulden aus. Die „Schwarze Null“ verlagert Belastungen nicht weiter auf nächste Generationen, schafft Freiräume die Mittelschicht zu entlasten: Mittelstand, kleine und mittlere Einkommen. Die Arbeitslosenzahl ist die geringste seit 25 Jahren.

Die Forschungsausgaben wurden verdoppelt, ein rohstoffarmes Land braucht Investitionen in Ideen. Jedes Jahr bekommt die Infrastruktur 2 Milliarden Euro mehr, so dass z.B. Planungen für den Ausbau der ICE-Trasse Fulda-Frankfurt finanziert, Straßen gebaut werden können. Beim schnellen Internet profitiert der Landkreis Fulda mit bis zu 9,2 Millionen Euro für den Breitbandausbau, die Kommunen der Region erhalten Unterstützung bei energetischer Sanierung, Kita-Ausbau.

Es passiert viel, nicht alles gelingt. Mut und Zuversicht braucht es, Selbstkritik auch. CDU und CSU sollten schleunigst wieder vereint an Lösungen arbeiten. Wähler stimmen für Problemlöser, nicht für Streithähne.