BRAND AKTUELL: Bruch mit unserer Werteordnung

26.05.2017

Die Kolumne "BRAND AKTUELL" ist am 27./28.5.2017 in der Wochenzeitung FULDA AKTUELL erschienen.

Dieses Urteil ist krass. Das Bundesverwaltungsgericht Leipzig will den Staat verpflichten, in Ausnahmefällen tödliche Medikamente herauszugeben. Jetzt liegt die Urteilsbegründung vor, auch Hintergründe des konkreten Falls. Mir stockt der Atem, wie ein kommerzieller Sterbe“hilfe“verein auf dem Rücken von Sterbenden hier versucht seine Ziele durchzusetzen.

Die Anforderungen des Urteils sind nicht umsetzbar. Der Staat kann nicht verpflichtet werden, sich an der Durchführung eines Suizids zu beteiligen, auch nicht in extremen Ausnahmefällen. Das wäre ein Bruch mit unserer Werteordnung und widerspräche allen Anstrengungen zum Lebensschutz und der Suizidprävention.

Und wer definiert eigentlich diese Ausnahmefälle? Nein, das Gericht ist bei einem sensiblen Thema unsensibel über das Ziel hinausgeschossen. Die grundlegende Debatte und fraktionsübergreifende Bundestagsentscheidung mit dem Anliegen um Lebensschutz und Autonomie wurden praktisch ignoriert. Unbestimmte Rechtsbegriffe wie ´unerträgliches Leiden´ oder ´keine zumutbare Alternative´ werfen neue Probleme auf, würden Missbrauch Tür und Tor öffnen.

Es gibt eine krasse Fehleinschätzung: Das Betäubungsmittelgesetz hat die medizinische Versorgung zum Heilen oder Schmerzlindern zum Ziel, gerade nicht die Selbsttötung. Die Selbsttötung kann keinen therapeutischen Zweck haben, wie es das Gericht behauptet. Das ist ein Widerspruch in sich, sogar lebensgefährlich.

Bundesgesundheitsminister Gröhe liegt vollkommen richtig damit, wenn er anweist, todbringende Medikamente zur Selbsttötung nicht herauszugeben, denn der Staat hat eine besondere Schutzpflicht. Ich vertraue darauf, dass die Karlsruher Richter die grundlegende Debatte im Bundestag angemessen berücksichtigen – und Leipzig korrigieren.