Brand: Ärztlich assistierter Suizid kann unerwünschte Tür öffnen! dpa-Gespräch zur Plenardebatte am Donnerstag

29.06.2015
Interview

Am Donnerstag berät der Bundestag erstmals mehrere Gesetzentwürfe zur Sterbehilfe. Über Fraktionsgrenzen hinweg wurde in der so wichtigen ethischen Frage hart gerungen - aber immer mit Respekt vor dem Andersdenkenden.

Der CDU-Bundestagsabgeordnete Michael Brand hat davor gewarnt, über die ärztliche Hilfe zur Selbsttötung sterbender Menschen unfreiwillig die Tür für Tötung auf Verlangen zu öffnen. «Mit dem ärztlich assistierten Suizid könnte eine Tür aufgestoßen werden, die nicht mehr geschlossen werden kann, und durch die Menschen geschoben werden könnten, die da nicht durch wollen», sagte Brand der Deutschen Presse-Agentur. «Verzweifelten Menschen sollte man die Verzweiflung nehmen, nicht das Leben.»

Am kommenden Donnerstag werden die dann eingebrachten Gesetzentwürfe zur Neuregelung der Sterbehilfe in erster Lesung im Bundestag beraten. Im November wird die abschließende Entscheidung erwartet. Der ärztlich assistierte Suizid könnte einen «Dammbruch in der Sterbehilfe» bedeuten, sagte Brand, der auch Vorsitzender des Menschenrechtsausschusses des Bundestags ist. Der Gesetzgeber müsse genau darauf achten, welche Auswirkung seine Gesetze gerade auf Schwache, Kranke oder Alte haben. «Diese Menschen dürfen nicht in eine Richtung gedrängt werden, weil sie sich als Last und fehl am Platz fühlen.»

Brand verwies auf Entwicklungen in Nachbarländern. Belgien und die Niederlande haben Töten auf Verlangen. Doch die «anfänglich auch dort vermeintlich engen Kriterienkataloge in den Ländern halten nicht. In Belgien ist das dort auch sogenannte Euthanasiegesetz in den letzten zehn Jahren 25-mal geändert worden.» Mit der letzten Änderung könnten selbst Kinder unter die Sterbehilfe fallen.

Eine fraktionsübergreifende Gruppe um Brand will künftig jede geschäftsmäßige Förderung der Suizidbeihilfe unter Strafe stellen. Der Gesetzentwurf von Abgeordneten aus CDU/CSU, SPD, Grünen und Linken zielt gegen «Vereine und auch Einzelpersonen», die auf Wiederholung ausgerichtet zum Beispiel Schwerkranken Beihilfe zum Suizid durch Beschaffung eines Medikamentes anbieten.

Unter den bisher in der Öffentlichkeit vorgestellten Entwürfen ist dies der aussichtsreichste. Inzwischen haben laut Brand mehr als 170 Abgeordnete den Antrag unterzeichnet - von Unions-Fraktionschef Volker Kauder bis zur Bundestagsvizepräsidentin der Grünen, Claudia Roth. Auch Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) stellte sich vor gut einer Woche hinter diesen Entwurf.

Mit Blick auf eine Klage-Androhung des Sterbehilfevereins des früheren Hamburger Justizsenators Roger Kusch sagte Brand: «Wir haben auf zwei Dinge sehr genau geachtet: auf die Mehrheitsfähigkeit und auf die Verfassungsmäßigkeit unseres Entwurfs.» Die Reaktionen der allermeisten Ärzte, Juristen und auch Betroffenen auf den Entwurf signalisiere, dass er als verfassungskonform akzeptiert werde.

(Quelle: DPA, 28.6.2015)