Bewährungsprobe: Über Angst, Sicherheit und Freiheit

03.08.2016

Der Namensbeitrag ist am 3. August in der Fuldaer Zeitung erschienen. Michael Brand fordert Entschlossenheit und Besonnenheit. Der Autor (42) ist direkt gewählter Bundestagsabgeordneter im Wahlkreis Fulda.

Vieles hat sich in diesem Sommer in kurzer Zeit ereignet, uns alle bewegt: die Brexit-Entscheidung, der Militärputsch in der Türkei, Anschläge weltweit, in Frankreich, auch in Deutschland.

Die beiden Täter von Würzburg und Ansbach, die als Flüchtlinge zu uns gekommen sind, verhöhnen das Land, das sie aufgenommen hat, so hat es die Bundeskanzlerin treffend formuliert. Sie verhöhnen die vielen Ehrenamtlichen, die sich für Flüchtlinge einsetzen, und verhöhnen die vielen Flüchtlinge, die wirklich vor Krieg und Terror flüchten.

Der vorgelegte 9-Punkte-Plan für mehr Sicherheit knüpft an eine Reihe von Maßnahmen an. Professionell, unaufgeregt arbeiten unsere Sicherheitsbehörden - dafür darf man schlicht Danke sagen. Die große Mehrheit fühlt sich weiter sicher.

Etwas schräg verläuft die Debatte über den Einsatz der Bundeswehr im Inneren: Seit Jahren passiert das: bei Naturkatastrophen, auch bei der Fußball-WM 2006. Die Karlsruher Verfassungsrichter haben bereits bestätigt, dass die Truppe bei „terroristischen Großlagen“ die Polizei unterstützen darf. Wenn alleine die Bundeswehr bei der Gefahrenabwehr (z.B. aus der Luft) helfen kann, dann muss sie natürlich auch helfen dürfen.

Simple Reflexe helfen bei der Lösung von Problemen nicht: Es braucht Entschlossenheit und Besonnenheit zugleich. Maßnahmen wie die Verschärfung des Asyl- und Ausländerrechts waren richtig. Notwendig ist allerdings auch, dass die Justiz diesen Rahmen besser ausschöpft.

Die einfache Vermengung von allgemeinen Sicherheitsfragen mit der Asyl- und Flüchtlingspolitik hilft ebenfalls nicht bei der Lösung. Die Attentäter von Würzburg und Ansbach waren schon vor 2015 hier, auch registriert. Und mit Frankreich und Belgien sind 2 Länder massiv vom Terror betroffen, die kaum Flüchtlinge aufgenommen haben. Das zeigt, Abschottung schützt ebenso wenig vor Terror wie Naivität.

Wahr ist: Solange der IS in Syrien und im Irak existiert, wird der Terror weitergehen. Dieses Übel - Fluchtgrund für Millionen - muss stärker an der Wurzel bekämpft werden. Dazu braucht es Ausdauer und es wird Opfer kosten.

„Die Welt ist im Krieg, weil sie den Frieden verloren hat“, hat Papst Franziskus bei seiner Polen-Reise gesagt. Wenn er von „Krieg“ spreche, meine er „einen Krieg der Interessen, des Geldes, der Ressourcen, nicht der Religionen“. Sicher nicht zufällig forderte er gerade in Polen „die Bereitschaft zur Aufnahme derer, die vor Kriegen und Hunger fliehen“.

Gerechte Lastenteilung und Sicherung der Außengrenzen sind gemeinsame Aufgaben. Globale Probleme können nicht national gelöst werden. Wenn die Staaten Europas versagen, steht bei Sicherheit, Migration, Wohlstand viel auf dem Spiel. Und angesichts der Eskalation in der Türkei braucht es Kursänderungen von EU-Ländern, die sich bislang leichtfertig aus der Verantwortung gezogen haben. Erdogan spielt mit diesem Kleinmut mancher in der EU, wenn er droht das Flüchtlingsabkommen platzen zu lassen.

Die EU darf sich nicht erpressen lassen. Visa-Freiheit kann es nur nach Erfüllung aller Kriterien geben. Meine Skepsis über diese Vereinbarung hat sich bestätigt. Auch Deutschland darf sich nicht zum Erfüllungsgehilfen Erdogans machen, der sich täglich mehr von Europa und europäischen Werten entfernt.

Eine fünfte Kolonne Erdogans hier bei uns darf nicht akzeptiert werden. Wer wie jetzt in Köln der Abschaffung der Demokratie in der Türkei zujubelt, mit der Todesstrafe liebäugelt, hat den Boden des Grundgesetzes verlassen. Konflikte in anderen Länder dürfen nicht bei uns ausgetragen werden.

Die Herausforderungen bleiben enorm: Menschen in Not helfen, Terror bekämpfen, Fluchtursachen vermindern, Deutschland und Europa in der globalisierten Welt stärken.

Der Terror stellt unsere Freiheit, unsere gewohnte Art zu leben, auf die Probe. Das Menschenmögliche wird getan, aber absolute Sicherheit gibt es nicht. Es braucht Wachsamkeit, Angst allerdings ist kein guter Ratgeber, im Gegenteil. Und es gibt auch diejenigen, die ihr politisches Süppchen mit der Angst kochen wollen. Wenn wir unsere Freiheit und den Zusammenhalt aufgeben würden, hätten die Terroristen gewonnen.