
Krisensitzungen aus dem Homeoffice
Wie die Corona-Pandemie die Arbeit des Bundestagsabgeordneten Michael Brand verändert
Wer glaubt, Politiker seien im Homeoffice einfacher zu erreichen als sonst, wird dieser Tage eines Besseren belehrt. „Ich kann nun doch nicht zeitnah telefonieren, gerade Sitzung mit Minister Seehofer – natürlich per Telefonkonferenz“, simst der CDU-Bundestagsabgeordnete Michael Brand. Auch das politische Berlin ist in diesen Tagen im Ausnahmezustand. Der Versuch eines Interviews mit einem Politiker in Isolation.
Gestern war ein denkwürdiger Tag. 246 Abgeordnete hat die CDU/CSU-Bundestagsfraktion, normalerweise sitzen sie in Reihen eng nebeneinander. Gestern waren 166 nicht im Plenarsaal, denn Regeln fürs Volk gelten auch für die Volksvertreter. 1,5 Meter Mindestabstand mussten die die Abgeordneten einhalten, und so verfolgten die meisten Volksvertreter die vielleicht wichtigste Sitzung der Legislaturperiode von ihren Büros aus, bevor sie zur Abstimmung kurz in den Plenarsaal gingen.
Einer, der im Saal saß, war der Fuldaer Abgeordnete Michael Brand, der nach Berlin gefahren war, um die Mehrheit für die Rettungspakete, für die auch er sich in zahllosen Telefonkonferenzen in den vergangenen Tagen eingesetzt hatte, sicherzustellen. In Berlin liegt Brands Büro direkt über dem des Grünen-Politikers Cem Özdemir, der kürzlich positiv auf das Coronavirus getestet worden war. Unsere Kommunikation mit Brand läuft, von ein paar kurzen Telefonaten abgesehen, per Mail und SMS.
Herr Brand, haben auch Sie Angst vor einer Infektion?
Bundestagsabgeordnete sind deshalb mehr als andere gefährdet und auch eine Gefahr für Dritte, weil es wohl wenige Berufe die gibt, die so viele Kontakte mit Menschen in der Region und im ganzen Land bedeuten. Dazu kommen die internationalen Kontakte. Auch ich habe meine direkten Kontakte drastisch reduziert. Selbst meine Mutter kann ich, wie andere auch, seit jetzt zwei Wochen nicht besuchen; das tut zwar weh, ist zu ihrem Schutz aber absolut notwendig.
Wie sehr ist für Sie das Homeoffice praktikabel?
Was normalerweise in Sitzungen in Berlin geschieht, beraten wir jetzt telefonisch und per E-Mail. Es ging um enorm viele Details beim Rettungspaket, und um viele Milliarden. Wir arbeiten hochkonzentriert, beraten telefonisch über Stunden. Dazu kommen viele konkrete Hinweise aus der Praxis auch hier aus dem Wahlkreis. Viele Leute beobachten aufmerksam und melden sich aktiv, ich frage selbst sehr viel herum, von IHK, Kliniken und Ärzte, Banken, Einzelunternehmer, Beschäftigte im Einzelhandel und andere. Daraus bringe ich viel in unsere parlamentarischen Beratungen ein. Beim Rettungsschirm für Krankenhäuser wurden wichtige Hinweise berücksichtigt, auch bei der Hilfe für Mittelstand und Beschäftigte.
Jetzt sind Sie doch in Berlin, wie war die Reise?
Ungewohnt. Dieses Mal nicht wie sonst mit dem Zug, sondern mit dem Auto, um Infektionsketten zu vermeiden. Der Bundestag hat besondere Vorkehrungen getroffen. Wir Abgeordneten sind ohne Mitarbeiter im Büro und in den Gebäuden und vermeiden direkten physischen Kontakt zu den Kolleginnen und Kollegen. Alles, um das Ansteckungsrisiko minimieren. Nach den Beratungen und der der Abstimmung geht es nach Fulda zurück – wo dann das Arbeiten im Home Office weiter geht.
Das Land liegt lahm, die Arbeit der Bundestagsabgeordneten läuft auf Hochtouren. Es gibt kaum eine Verschnaufpause, eine Telefonkonferenz jagt die nächste. Werden die Rettungspakete, die in Berlin verabschiedet wurden, reichen, um das Land – womöglich auch einige Monate lang durch die Krise zu schaukeln?
Wohl eher durch stürmische See steuern als schaukeln. Deutschland verfügt wegen der sparsamen Haushaltspolitik und der starken Wirtschaft der letzten Jahre über enorme finanzielle Möglichkeiten, um diese schwere Krise durchzustehen. „Spare in der Zeit, dann hast du in der Not“ - so können wir jetzt enorme Mittel mobilisieren und durchhalten, bis unser Gesundheitssystem vorbereitet ist und vielleicht schon im Herbst ein Impfstoff zur Verfügung steht. Wenn nachgesteuert werden muss, wird nachgesteuert - wir beobachten die Entwicklung täglich sehr genau.
Es ist nicht nur der finanzielle Schaden, den das Land verkraften muss. Auch wenn viele in der Krise zusammenstehen: Das Kontaktverbot führt zu „sozialen Schäden“, vielleicht wird das Virus den Umgang der Menschen für lange Zeit verändern. Wie sieht Brand diese massiven Eingriffe ins Leben der Bürger?
Jeder hat wohl verstanden, wie ernst das ist. Wer Gesundheit und Menschen schützen will, der schränkt physische Kontakte maximal ein, kann erst mal auf Telefon und Mail ausweichen. Alle Experten sagen, dass Reduzierung der Direktkontakte das Wichtigste ist, um die Ausbreitung zu verlangsamen. Dafür lohnt sich Zurückhaltung und Disziplin in den nächsten Wochen wirklich. Mit Rücksicht und Mitmenschlichkeit werden wir diesen wohl härtesten Test seit dem Zweiten Weltkrieg ordentlich bestehen. Gott sei Dank wir haben völlig andere, dramatisch bessere Voraussetzungen dafür als in der Nachkriegszeit oder bei späteren Krisen.
Empfehlen Sie uns!