Solidarität ist nie Einbahnstraße, auch nicht etwa nur von West nach Ost. Dass auch die Steuerzahler im Osten den „Soli“ zahlen, ist dafür ein Merkmal. Dass eine Mehrheit in West wie in Ost den Soli abschaffen will, zeigt Einigkeit unter den Deutschen. Wenn nun völlig zu Recht das Ende des Soli geplant wird, dann geht es nicht um das Ende von Solidarität, sondern um die zukunftsfähige Neuordnung von Finanzen.
Verhandelt wird auch die Zukunft des Solidarpaktes nach 2019, des Sonderfonds des Bundes für die neuen Länder. Damit eng zusammen hängt ein weiteres milliardenschweres Thema: der Länderfinanzausgleich, durch den finanzschwache Länder vom Bund und stärkeren Ländern mit Milliarden unterstützt werden. Hessen und Bayern haben Klage erhoben, weil sie das System für verfassungswidrig halten.
Ein Vierteljahrhundert nach der Deutschen Einheit gehört die Debatte über Neuordnung auf die politische Tagesordnung. Unbestritten ist: es geht 2015 nicht mehr um West und Ost. Es geht um die Frage, wo welche Investitionen erforderlich sind. Und Bedarf gibt es überall, ob in Ost oder West, Nord oder Süd. Ob Ruhrgebiet, Westpfalz, an der Küste oder im Süden, ob in Bremen oder in den „reichen“ Bundesländern wie Hessen – der Stau an Investitionen ist groß. Auch wir hier in Osthessen kennen Straßen und andere Infrastrukturprojekte, die öffentliche Investitionen dringend nötig hätten.
Seit Jahren hat die Politik mit Erfolg einen guten Rahmen geschaffen. Statt Steuern zu erhöhen, haben wir durch jahrelange Anstrengungen erreicht, dass wir mehr Beschäftigung und mehr Steuern zu verzeichnen haben als erwartet. Durch diese Erfolge können wir uns, allerdings in Maßen und ohne neue Schulden, etwas „leisten“.
Der Bund stützt nicht nur die Länder, er stärkt seit langem auch direkt oder durch die Länder die Kommunen. Um viele Milliarden werden Kommunen entlastet, weil der Bund – teils für die Länder – teilweise oder komplett finanziert: so die komplette Übernahme der steigenden Kosten der Grundsicherung nach SBG II, das Konjunkturprogramm I und II, Investitionen für Kitas, Beteiligung an den Kosten für Flüchtlinge und vieles mehr.
Gerade erst hat die Koalition einen weiteren großen Schritt für die Kommunen beschlossen: insgesamt 15 Milliarden zusätzlich aus dem Bundeshaushalt werden dazu beitragen, dass die Kommunen vor Ort von den Investitionen in Verkehrsprojekte, digitale Infrastruktur, Städtebauförderung, Klimaschutz und mehr profitieren. Auch hier gilt: kein Ost-West-Thema ist dies mehr, sondern ein Thema von Investitionen in die Zukunft. Deutschland muss auf die Zukunft schauen, und in Zukunft investieren.
Das alte Denken von Ost und West geht nach hinten. Wer an Ost-West festhält, hält die innere Teilung fest. Das ist das Gegenteil von Einheit. Die Deutschen, in Ost, West, Nord und Süd, sind längst weiter: sie wollen, dass wir uns im globalen Wettbewerb behaupten, auch in Zukunft. Dazu gehört mehr als der Solidarpakt vor allem die Solidarität mit denjenigen, die Wachstum und Beschäftigung in diesem Wettbewerb sichern. Das ist vor allem der Mittelstand, Motor von Wachstum und Beschäftigung. Und natürlich die Beschäftigten selbst.
Wenn es also um Zukunft geht, und nur dem dient eine solide Neuordnung der öffentlichen Finanzen, dann muss es auch darum gehen, die Belastung von Mittelstand und Beschäftigten erträglich zu gestalten. Der Abbau der Kalten Progression – vor Jahren schon beschlossen, von SPD und Grünen im Bundesrat gestoppt – muss konkret auf die Tagesordnung. Beim Mittelstand geht es um Themen wie eine besonders für Familienbetriebe wichtige mittelstandsfreundliche Reform der Erbschaftsteuer, und um bürokratische Strangulierung, wie beim Mindestlohn – die in kommenden Jahren zig Tausende Jobs kosten kann, wenn wir hier nicht korrigieren.
Es geht also um weit mehr als um den Solidarpakt und das Jahr 2019. Es geht um das ganze Land, und um Solidarität mit denen, die den Motor am Laufen halten. Davon haben alle was – in Ost, West, Nord und Süd.
Michael Brand plädiert für die Abschaffung des „Soli“ und für mehr Investitionen. Der Autor (41) ist direkt gewählter Bundestagsabgeordneter im Wahlkreis Fulda.
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