+++Fraktionsübergreifender Gesetzentwurf zur Sterbegleitung vorgestellt+++

09.06.2015
Beitrag

Eine fraktionsübergreifende Gruppe von Bundestagsabgeordneten hat heute in Berlin einen Gesetzentwurf zur Strafbarkeit der geschäftsmäßigen Förderung der Selbsttötung vorgestellt.

„Menschliche Begleitung beim Sterben stärken und eben nicht eine Art technische Assistenz zum Sterben als Dienstleistung etablieren.“

Anlässlich der heutigen Vorstellung eines fraktionsübergreifenden Gesetzentwurfs zur Strafbarkeit der geschäftsmäßigen Förderung der Selbsttötung erklärt der Mitverfasser des Papiers, Michael Brand:

„Missbrauch stoppen und Hilfen stark ausbauen, das waren für uns immer 2 Seiten derselben Medaille. Unser Ansatz ist ein Ansatz der Menschlichkeit: wir wollen die Schwachen schützen, auch vor unzulässigem Druck, und auch vor falschen Angeboten. Stattdessen unterbreiten wir verstärkte Angebote zu Hilfe. Dem liegt ein Menschenbild zugrunde, das den Menschen insgesamt ernst nimmt, und ihn nicht nur auf seine akute schwere Situation reduziert.

Wir müssen also beides tun: auf der einen Seite die Hilfen für Alte und Schwache in Not ausbauen, insbesondere mit moderner Palliativmedizin und bei Hospizen. Dazu dient der Gesetzentwurf von Gesundheitsminister Hermann Gröhe, der auf eine interfraktionelle Initiative zurückgeht und der auf viel Zustimmung gestoßen ist. Ganz bewusst übrigens verschränken wir die Debatte zu diesem Gesetzentwurf mit der anderen Seite derselben Medaille, nämlich unserer Initiative zum Stopp von geschäftsmäßigen Angeboten zum assistierten Suizid, nicht mehr, nicht weniger.

Denn die andere Seite der Medaille ist es den Missbrauch zu stoppen. Wir haben uns mit dem Phänomen auseinanderzusetzen, dass nicht nur in unseren Nachbarländern, sondern verstärkt auch hier in Deutschland Organisationen und Personen unterwegs sind, die das Geschäft mit dem Tod als geschäftsmäßiges Angebot zur Hilfe beim Suizid ausdehnen. Dazu nutzen sie eine Gesetzeslücke, um ihr derzeit straffreies Handeln, nämlich der Suizidassistenz auf Bestellung, an den Mann oder an die Frau zu bringen. Dabei rühmen sich Einzelne öffentlich, bereits in über 100 Fällen Menschen vom Leben zum Tod verholfen zu haben. Wenn wir dieses Handeln nicht unterbinden, dann wird der geschäftsmäßige Umgang mit dem Tod zu einem regulären Angebot.

Geschäftsmäßig bedeutet, dass die Tat mit Absicht erfolgt und auf Wiederholung angelegt ist. Das Verbot gilt lediglich für geschäftsmäßig Handelnde, unabhängig ob es sich um einen Verein oder eine Einzelperson handelt und unabhängig von der Gewinnerzielungsabsicht.
Unser Entwurf enthält bewusst kein Sonderstrafrecht für Ärzte. Es kommt auf die Handlung an, nicht auf den Beruf. Die Einzelfallprüfung ist entscheidend.


Wir haben sehr sorgfältig darauf geachtet, dass nicht versehentlich eine unangemessene Bestrafung ausgelöst wird; der Antrag bewahrt und schützt das Arzt-Patientenverhältnis und er stellt sicher, dass z.B. wichtige Maßnahmen zur Schmerzlinderung wie die palliative Sedierung oder die Schmerzlinderung durch Medikamente, die zu einer Lebensverkürzung möglicherweise führen können, aber nicht mit dem Ziel einer Lebensverkürzung gegeben werden, bleiben selbstverständlich möglich.

Wir haben mit Unterstützung sachkundiger Experten in den letzten Monaten in sorgfältiger Beratung einen Gesetzentwurf erarbeitet, der in moderater Weise das Thema Suizidbeihilfe regelt, ohne auf der einen oder anderen Seite zu weit zu gehen.

Unser Gruppenantrag beinhaltet auch im Gegensatz zu angekündigten Entwürfen anderer Gruppen weder weitreichende neue Strafbarkeiten wie ein Totalverbot, noch lässt er eine Öffnungsklausel für eine Ausweitung des ärztlich assistierten Suizid zu, gegen den sich die erdrückende Mehrheit der Ärzteschaft in Deutschland wehrt.

Der heute vorgelegte Entwurf ist ein Weg der Mitte, maßvoll und sensibel.

Auf 2 Punkte haben wir besonders geachtet: auf die Mehrheitsfähigkeit und Verfassungsmäßigkeit unseres Gesetzentwurfs.

Wir haben in den letzten Monaten viel Unterstützung von Ärzten, Juristen, aus der Palliativmedizin und der Hospizbewegung und vielen Betroffenen erfahren, auch in den Reihen des Parlaments, was uns zuversichtlich stimmt, eine breite Mehrheit im Parlament für diesen ausgewogenen Vorschlag zu erreichen.

Der Gesetzgeber muss bei Themen über Leben und Tod ganz besonders sensibel sein und sehr darauf achten, welche Auswirkungen eine Regelung gerade auf die Schwächsten, auf Kranke und alte Menschen hat.

Franz Müntefering hat von einer „gefährlichen Melodie“ gesprochen, die die Schwächsten unter Druck setzt. Er hat Recht.

Wir wollen nicht, dass sich Menschen unter Druck gesetzt fühlen oder als Last empfinden und wir schützen mit dem vorgelegten Entwurf die Selbstbestimmung des Einzelnen gerade in schweren Lebenslagen.

Es darf keine Tür aufgestoßen werden, die niemand mehr schließen kann und durch die auch Menschen hindurchgeschoben werden können, die da nicht durch wollen.

Die Beispiele in anderen Ländern zeigen auch, dass die angeblich „begrenzten und klaren Kriterienkataloge“ für eine Ausweitung in der Realität halten. Angebot schafft auch bei der Suizidbeihilfe Nachfrage.

Mir macht Hoffnung, wenn Palliativmediziner berichten, dass sie die allermeisten „Todeskandidaten“ von der Chance des Weiterlebens überzeugen konnten.

Abschließend: Im Kern geht es uns darum, die Menschlichkeit gerade auch in schwersten Zeiten zu schützen. Wir wollen menschliche Begleitung beim Sterben stärken und eben nicht eine Art technische Assistenz zum Sterben als Dienstleistung etablieren.“

Die Verfasser des Entwurfs:

Michael Brand (CDU/CSU), Kerstin Griese (SPD), Kathrin Vogler (Linke), Harald Terpe (Grüne)

Michael Frieser (CDU/CSU), Eva Högl MdB (SPD), Halina Wawzyniak (Linke), Elisabeth Scharfenberg (Grüne)

Claudia Lücking-Michel (CDU/CSU), Ansgar Heveling (CDU/CSU),