Was mich bewegt

Warum ich mit "NEIN" gestimmt habe

Michael Brand (41) ist gegen eine Haftungs- und Schuldenunion in Europa. Der Autor gehört der CDU an und ist direkt gewählter Bundestagsabgeordneter.

Im Kern geht es beim Thema Euro um folgende Punkte: wie können wir den Euro retten, und um welchen Preis? Wie sichern wir Kontrolle über die vielen Milliarden an Steuergeldern? Wie schützt sich Europa davor, im globalen Wettbewerb künftig "untergebuttert" zu werden?

Dazu vorab: wir haben jedes Interesse, den Euro zu retten. Natürlich nicht um jeden Preis. Der Preis muss bezahlbar, heißt: verkraftbar bleiben. Und es kann nicht Europa gerufen werden, nur um an deutsche Steuermilliarden zu kommen. Was auf den ersten Blick wie ein Widerspruch klingt, stimmt: ein starkes Europa liegt im nationalen deutschen Interesse. Sonst könnten die erstarkenden Regionen der Welt mit uns in Zukunft „Ping Pong“ spielen - mit fatalen Folgen auf Wirtschaft, Beschäftigung und Soziale Sicherheit.

In Europa haben sich viele in zu viel Schulden gestürzt, und die wurden meist bei europäischen Banken gemacht. Mit dem Finanzcrash von 2008 war das Schuldencasino am Ende - die Banken konnten und durften rechtlich auch nicht weiter Geld leihen, weil die Rückzahlung nicht mehr garantiert war. Bei aller berechtigten Kritik an Zockern unter den Bankern: der Kern des Problems ist die Verschuldung. Wer zu lange über seine Verhältnisse lebt, der wird den Crash erleben. Das gilt für Private, und das gilt auch für Staaten.

Der Fiskalpakt soll hier Disziplin bringen. Er ist im Prinzip eine Schuldenbremse für die EU, mit Sanktionen bei Verstößen. Dieser Schuldenbremse habe ich im Bundestag zugestimmt.

Aber: Der ESM als dauerhafter Mechanismus bedeutet im Kern, die Entscheidung über Hunderte Milliarden Euro an nationalen Steuergeldern an Europa abzutreten. Auch das muss im Prinzip kein Fehler sein, wenn denn die Kontrolle stimmt. Was aber nicht geht, und was mir als Abgeordnetem schlicht zu weit geht, das ist das Ausmaß der Kompetenz des ESM und die Einschränkung der nationalen, hier der deutschen Kontrolle. Es ist völlig klar: wenn die EU aus diesem Topf, der von Deutschland und seinen Partnern gespeist wird, Milliarden zur Stützung maroder Banken beschließt, dann wird der Bundestag dies zwar theoretisch aufhalten können. In der Praxis allerdings könnte ein deutsches Nein nach einer vorherigen ESM-Entscheidung zu schweren Verwerfungen in einer global vernetzten Welt führen. Also müssen Mitsprache und Mitentscheidung des Parlaments auch in der Praxis möglich sein. Dies ist nicht ausreichend gesichert. Also musste ich bei beim ESM mit "Nein" stimmen.

Mir ging es auch darum, ein klares Signal zu setzen: auch in der Krise muss mit dem Geld der Steuerzahler sorgfältig umgegangen werden, die EU darf nicht zur einseitigen Transfer- oder Haftungsunion verkommen. Und wir dürfen uns auch von Partnern nicht erpressen lassen.
Wir haben schmerzhafte Schritte getan, mit Erfolg für Wachstum und Beschäftigung. Wir sind dabei, die Verschuldung zu stoppen und auch umzukehren. Über 2 Billionen Euro Schulden müssen wir noch über Jahrzehnte zurück zahlen, mit zig Milliarden an Zinsen, die wir lieber in Familien, Bildung, Forschung, Umwelt und vieles mehr investieren würden.

Wollen wir den Euro retten und Europa zu stabilisieren, müssen alle den Weg aus den Schulden gehen. Das verlangt Reformen, die hart sind. In Griechenland galt Jahrzehnte als dumm, wer überhaupt Steuern zahlte; der oberste Steuerfahnder sagte kürzlich, die Probleme wären gelöst, wenn alle nur der Steuerpflicht nachkämen. Der neue Präsident Frankreichs hat das Rentenalter, das bei uns auf 67 Jahre zugeht, kürzlich für bestimmte Gruppen reduziert - von 62 auf 60 Jahre. Wenn andere mit Reformen warten, und stattdessen auf deutsche Steuermilliarden hoffen, lehne ich eine Mithaftung klar ab. Das "Nein" zum ESM soll auch dazu dienen, dass die Partner verstehen: alles geht nicht mit den Deutschen. Auch bei künftigen Entscheidungen werde ich nach bestem Wissen und Gewissen entscheiden, ein automatisches ja wird es nicht geben. Nur wenn sich alle an die Regeln halten, kommt Europa aus der Krise. Wird das verstanden, sind wir einen wichtigen Schritt weiter.

Der Namensartikel ist nach der Abstimmung im Deutschen Bundestag in der FZ am 11. Juli 2012 erschienen.