Unser Körper gehört nicht dem Staat

11.01.2020
Kolumne

Die Kolumne ist am 11./12. Januar 2020 in der Wochenzeitung FULDA AKTUELL erschienen.

Der Bundestag hatte gerade im letzten April ein Gesetz mit sehr konkreten Verbesserungen für mehr Organspenden beschlossen. Unmittelbar danach forderte der Bundesgesundheitsminister ein neues Gesetz, durch das der Staat auf alle Organe aller 80 Millionen Bürger zugreifen könnte. Nur mit einem Widerspruch soll man sich diesem Zwang entziehen können.

Ich bin mit Jens Spahn oft einer Meinung. Hier nicht. Vorgänger im Amt des Bundesgesundheitsministers auch nicht. Wir sind ganz entschieden gegen einen gefährlichen Paradigmenwechsel, bei dem sozusagen unsere Organe verstaatlicht werden, wenn wir nicht rechtzeitig widersprechen. Es widerspricht Grundrechten und Grundsätzen, wenn der Staat mit Zwang in die körperliche Unversehrtheit eingreifen will.

Während einer Datenweitergabe durch die neue EU-Datenschutz-Grundverordnung ausdrücklich zugestimmt werden muss, wollen einige das bei Organspenden umdrehen, obwohl es sich doch um einen viel höchst persönlicheren Eingriff handelt. Schweigen kann nicht einfach als Zustimmung interpretiert werden, erst Recht nicht bei einer so weitreichenden Entscheidung.

Statt darüber zu philosophieren, ob die Verstaatlichung des Körpers erlaubt sei, sofern man nicht ausdrücklich widerspricht, müssen erst einmal konkrete Schritte gegangen werden, die nicht politischen Schlagzeilen, wohl aber konkret Menschen helfen, die auf ein Spenderorgan warten.

Fakt ist: Die Mehrheit der Transplantationen scheitert nicht etwa an mangelnder Spendenbereitschaft. Ursache sind die organisatorischen Probleme in den Entnahmekliniken, mögliche Spender werden dort immer seltener erkannt und  gemeldet.

Über Information und Werbung für freiwillige, ich wiederhole: freiwillige Organspender lässt sich die Zahl der Organspenden weiter erhöhen. Gespräche mit Hausärzten, Information durch Krankenkassen und andere Maßnahmen können die gewünschte Zahl von Organspenden erreichen. Es gibt also überhaupt keinen Grund, so sehr in die Grundrechte von Menschen einzugreifen und viele Millionen Menschen auch zu verunsichern.

Umfragen zeigen: Die Bereitschaft zur Organspende ist überwältigend groß, wir können darauf setzen, mit gezielten Maßnahmen so viele freiwillige Organspender zu gewinnen, dass Patienten auch ein Spenderorgan erhalten. Seit langem habe ich einen Organspendeausweis, aus Überzeugung. Jeder sollte sich aktiv und bewusst mit dem Thema auseinandersetzen. Es nimmt Druck von Angehörigen in schwierigen Situationen. Für mich bleibt die Organspende ein Akt gelebter Solidarität.

Spenden-Zwang löst die Probleme nicht, wie die Praxis in anderen Ländern zeigt. Vor allen Dingen aber gehört unser Körper nicht dem Staat. Nur dann, wenn wir aus freiem Willen zustimmen, nach unserem Tod Organe für das Überleben anderer Menschen zur Verfügung zu stellen, haben Staat und Medizin das Recht, in unsere körperliche Unversehrtheit einzugreifen. Sonst wäre es ein Angriff auf die Würde des Menschen.