Schwere Geburt, klarere Linien

24.04.2021
Kolumne

Die Kolumne ist am 24./25. April 2021 in der Wochenzeitung FULDA AKTUELL erschienen.

Manchmal ist es erstaunlich: Obwohl sich über Monate hinweg darüber beklagt wurde, dass es einen bundesweiten „Flickenteppich“ bei der Bekämpfung der Pandemie gab, wird jetzt über die bundeseinheitliche Linie geklagt. Das wichtigste sind nicht der Flickenteppich oder einzelne Maßnahmen. Das wichtigste ist der gute Kompromiss, bei dem auch mir manche Details weniger und andere mehr gefallen, denn es wurde ein wirkungsvolles Maßnahmenpaket zur Eindämmung der Pandemie geschnürt. Das ist ein wichtiger Baustein, den wir da nach intensiven Beratungen beschlossen haben, zum Sieg über dieses verdammte Virus.

Ja, man mag über die Zahlen für die Inzidenz streiten. Ja, man mag über jede einzelne Maßnahme streiten, andere Vorschläge machen. Das wichtigste aber ist: In diesem Maßnahmenpaket, von Ausgangssperre mit sinnvollen Ausnahmen bis hin zu klaren Mindestvorgaben an Länder und Kommunen, steckt die von vielen geforderte Einheitlichkeit und Klarheit. Wahr ist auch: Es kommt weit weniger als auf die bundeseinheitliche Regelung darauf an, dass wir, jeder und jede einzelne von uns, das tun, was die Pandemie allein besiegen kann. Wir wissen inzwischen, dass mehr als zwei Drittel der Ansteckungen mit dem Virus im privaten Umfeld geschehen. Da können wir noch so viele Ausgangssperren, noch so viele Tests und noch so viele Inzidenzwerte beschließen, das hilft alles nur sehr begrenzt. Manchmal ist es einfach so, dass es nicht auf die Politik ankommt, um große Dinge zu bewegen, sondern auf jeden von uns. Hier ist das so.

Bei den Beratungen habe ich, nach intensiven Gesprächen mit Praktikern, von Einzelhandel über Kommune und Medizin, mich mit dafür stark gemacht, dass es Änderungen gab. Beispielsweise  das Abholen bereits bestellter Ware durchgehend („Click & Collect“); der Besuch im Einzelhandel mit negativem Testergebnis bis zu einer Inzidenz von 150 Kunden („Test & Click & Meet“), was für die wirtschaftliche Existenz vieler Einzelhändler existenziell ist, auch für Familien, Verbraucher. Das undifferenzierte Fallbeil ab einer Inzidenz 100 wurde korrigiert, da die Verhältnismäßigkeit gewahrt bleiben muss. Nach diesen Änderungen war das Gesetz deutlich näher an der Praxis, am Leben der Leute. Also konnte man dem Kompromiss, trotz mancher Mängel, guten Gewissens zustimmen. Die Maßnahmen sind bis zum 30. Juni begrenzt, die Rechte des Bundestages wurden gestärkt.

Ob wir um einen harten Lockdown herumkommen, das entscheidet nicht das Gesetz. Das entscheiden wir alle, mit unserem Verhalten, jeden Tag. Ich weiß, dass sich Appelle abnutzen. Aber ich weiß auch, dass es einfach nur wahr ist: Wir müssen uns noch einmal anstrengen, damit wir die Ausbreitung stoppen, damit wir mithilfe der sich ebenfalls massiv ausbreitenden Impfungen bis zum Sommer in eine andere Lage kommen. Bitte, packen Sie noch einmal mit an. Es lohnt sich.