Mitmenschlichkeit und Vernunft verteidigen

17.08.2020
Beitrag

Der Beitrag ist in der Fuldaer Zeitung am 15. August 2020 erschienen.

Michael Brand ruft dazu auf, in der Corona-Pandemie dem Spaltpilz keine Chance zu geben.

In der Debatte zu Corona hat jeder, völlig zu Recht, eine eigene Meinung, zu Maßnahmen von Regierungen und kommunalen Behörden bis zu neuen Erkenntnissen der Wissenschaft über die Pandemie. Auch ich habe eine Meinung, und nicht jede andere Meinung gefällt mir. Dennoch muss, und will ich damit leben, dass andere manches anders sehen. Was mich stört, ist eine radikale Tonlage, die sich nicht an Fakten, sondern an Gegnerschaft zu anderen orientiert.

Die Art, wie wir mit dieser Krise umgehen, berührt grundsätzliche Fragen. Darf eine Gesellschaft mit menschlichem Gesicht einzelne Gruppen oder Bevölkerungsteile einem erhöhten Risiko aussetzen, damit es ohne „lästige“ Einschränkungen weiter gehen kann, als gäbe es kein Corona? Sollten sich nicht die Alten, die Schwachen und die Gefährdeten zurückziehen, und die anderen ihr gewohntes Leben führen lassen? Auch diese Einstellung ist vereinzelt zu hören – und für die große Mehrheit Gott sei Dank völlig undenkbar. Eine berechtigte Frage lautet: Wie viel Schaden für wirtschaftliche Existenzen oder wichtige soziale Einrichtungen ist zumutbar? Eine bange Frage lautet: Wie sehr wird sich unsere Gesellschaft, unser Miteinander, durch die Auswirkungen, teils Auswüchse verändern?
Schon immer waren diejenigen lautstärker, denen „es reicht". Werden diese Lautstarken gegen die schweigende Mehrheit unserer Gesellschaft gewinnen und uns dauerhaft spalten? Wird es denjenigen, die bewusst Spaltpilze züchten, allen voran Verschwörungserzählern, Besserwissern oder gar Extremisten, gelingen, uns auseinander, gar gegeneinander zu bringen?
Auf berechtigte Fragen in der Sache gibt es fundierte Antworten, die menschliche Herausforderung für alle von uns bleibt. Niemand kann wollen, dass in dieser Krise die Mitmenschlichkeit verloren geht.

Denn im Kern ist die Corona-Pandemie nicht nur eine gewaltige medizinische und politische Herausforderung, sie ist vor allem eine menschliche. Die gute Nachricht dazu lautet: Wir können die Herausforderung meistern, der Spaltpilz kann gut bekämpft werden. Die Gegenmittel sind frei erhältlich und stehen allen zur Verfügung. Es sind wissenschaftlich fundierte Fakten, einfache Vorsichtsmaßnahmen, und es ist vor allem menschliche Empathie. Damit gelingt die Immunisierung gegen irrationale Angst, gegen bewusste Manipulation. Allerdings ist das nicht die Sache alleine von „denen da oben". Denn weder „die Politiker" noch „die Medien" oder etwa „die Herrschenden", sondern nur wir alle gemeinsam können eine Spaltung der Gesellschaft verhindern, geschehen lassen oder auslösen.

Immer tragen gute Information und offenes Gespräch zur Aufklärung bei. Wir Menschen sind vernunftbegabte Wesen. Das ist in einer Krise umso wertvoller. Misstrauen oder Aggression gegen alles, was der eigenen Meinung widerspricht, wäre ein menschliches Armutszeugnis.

Wer trägt schon gerne Masken? Wer lebt schon gerne auf Distanz? Genau umgekehrt wird doch ein Schuh draus: Was ist daran so schlimm, mit geringem Einsatz aller einen großen Schutz für alle zu bewirken, und rasch aus der Krise zu kommen statt noch tiefer hinein.

Nutzen wir, was uns von anderen unterscheidet: Die Fähigkeit zu Erkenntnis, Analyse – und vor allem: Mitmenschlichkeit. Stärken wir unsere Fähigkeiten gerade in der Krise, verteidigen wir unsere menschliche Gesellschaft.

Autorenzeile
Der Autor (46) ist direkt gewählter Bundestagsabgeordneter im Wahlkreis Fulda und gehört der CDU an.