Keine folgenlose Rhetorik gegenüber Erdogan & Co

25.04.2018
Kolumne

Der Namensbeitrag ist am 25. April 2018 in der Fuldaer Zeitung erschienen.

Michael Brand fordert eine Position der Geschlossenheit und Stärke. Der Autor (43) ist direkt gewählter Bundestagsabgeordneter im Wahlkreis Fulda.

Was von Erdogans Wort zu halten ist, zeigt sich regelmäßig: Unermüdlich hat der türkische Präsident vorgezogene Neuwahlen ausgeschlossen, jetzt die Kehrtwende. Schon in gut 2 Monaten finden sie statt. Mit seiner kalkulierten Überrumpelungsstrategie will er das Momentum nutzen, um Risiken zur Verwirklichung seines „großen Plans“ zu minimieren, seine Machtfülle zu maximieren.

Die Opposition wurde kalt erwischt, ist ohnehin staatlich unterdrückt, nicht wenige im Gefängnis. Erdogans Kalkül ist, den nationalistischen „Afrin-Effekt“ zu nutzen, der ihm der Feldzug gegen die Kurden in Syrien gebracht hat. Außerdem will er dem wirtschaftlichen Abschwung zuvorkommen, der Wählerstimme kosten wird. Die türkische Lira ist auf Talfahrt, das Strohfeuer staatlicher Konjunkturprogramme hätte nicht bis zum regulären Wahltermin in 2019 gehalten.

Vor allem will Erdogan endlich alle Macht beim Präsidenten. Die 2017 nur knapp gewonnene Verfassungsänderung tritt nämlich erst nach der jetzt angekündigten Präsidentschaftswahl in Kraft. Dann ist das Ziel erreicht: Das Parlament degradiert, die Demokratie abgeschafft, der türkische Präsident ein Diktator auf Zeit.

„Die Demokratie ist nur der Zug, auf den wir aufsteigen, bis wir am Ziel sind“, hatte Erdogan einst als Bürgermeister von Istanbul formuliert. Weit ist er gekommen. Nichts wurde dem Zufall überlassen, der Ausnahmezustand gerade erst zum siebten Mal verlängert.

Aktuell hat der Sultan vom Bosporus angekündigt, auch im Ausland Wahlkampf zu machen. Seine Parolen gegen unser Land, die unsäglichen Nazi-Vergleiche sind nicht vergessen. Auch nicht die Tatsache, dass eine Mehrheit der hier lebenden Deutsch-Türken geholfen hat, die Demokratie in der Türkei abzuschaffen.

Natürlich wird Erdogan wieder versuchen mit Provokationen Wähler zu sammeln. Die Bundesregierung muss hier einen dicken Riegel vorschieben: Türkischer Wahlkampf hat in Deutschland nichts zu suchen. Lange hat es gedauert bis Berlin vor einem Jahr entschieden hat, dass 3 Monate vor Wahlen Auftritte von Nicht-EU-Politiker grundsätzlich nicht genehmigt werden.

Hinter der Frage des Umgangs mit autoritären Herrschern wie Erdogan, Putin oder Xi Jinping steckt aber Grundsätzliches. Die westlichen Demokratien sind in einer tiefgreifenden Krise, während China, Indien, Russland eine neue Weltordnung durchsetzen wollen, die weniger Stabilität, mehr Risiken bringen wird. Trumps Unberechenbarkeit zählt dazu.

Europa muss endlich aufwachen. Unsere Werte wie Freiheit, Demokratie, Rechtsstaat und Menschenrechte werden gezielt und massiv unter Druck genommen. Nicht folgenlose Rhetorik, sondern kluge Strategie ist gefordert.

In Syrien hat sich trotz der begrenzten Luftangriffe westlicher Partner die Lage nicht geändert. Dass bei uns Parteien wie die Kreml-treue Linke in Eintracht mit der AfD die Operation als völkerrechtswidrig brandmarken, ist zynisch. Was wäre von einem Völkerrecht zu halten, das Zivilisten barbarischem Morden bis hin zu Giftgas schutzlos ausliefern würde, wenn der UN-Sicherheitsrat gezielt blockiert wird?

Das ja richtige Bekenntnis zum Dialog mit Moskau muss aus einer Position der Geschlossenheit und Stärke unterfüttert werden, ansonsten ist es folgenlos. Assad jedenfalls bereitet die nächsten Massaker vor, in der Region Idlib.

Europa und Deutschland müssen mehr tun, um unsere Friedensordnung zu verteidigen. Die europäische Antwort kann künftig auch nicht warten, bis der letzte der 28 Mitglieder einig ist. Dazu ändern sich die Gefahren weltweit zu rasant.

Vor allem bedarf es wirtschaftlicher und politischer Druckmittel, aber auch der glaubhaften militärischen Drohkulisse. Die angekündigten Investitionen für die unterfinanzierte Bundeswehr sind dringend notwendig. Und im Bund haben wir entschieden, zusätzliche Mittel prioritär neben Verteidigung im Verhältnis 1:1 in Krisenprävention, Humanitäre Hilfe, Entwicklung, Diplomatie zu stecken. Außenpolitik nach dem Motto „Wasch mir den Pelz, aber mach mich nicht nass“ würde nicht ohne Folge bleiben.