Der Schutz des Lebens wiegt nichts

29.02.2020
Kolumne

Die Kolumne ist am 29.Februar/1. März 2020 in der Wochenzeitung FULDA AKTUELL erschienen.

„Der Schutz des Lebens wiegt nichts." Drastischer hat der Nationale Ethikrat noch nie ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts kritisiert.

In dieser Woche hat das Bundesverfassungsgericht zum Entsetzen vieler Beobachter die kommerzielle und geschäftsmäßige Sterbehilfe für legal erklärt. Was bisher von sorgfältiger Abwägung, Beratung und Betreuung bestimmt war, das kommt jetzt auf den freien Markt. Das Geschäft mit dem Tod wird jetzt lukrativ.

Bisher galt: wer Familienangehörigen oder nahen Personen beim Suizid Unterstützung leistet, bleibt straffrei. Das galt auch für Ärzte, die im Einzelfall diese Hilfe leisten. Nur die kleine Zahl der geschäftsmäßig, oft am eigenen Interesse orientierten Sterbehilfe war verboten.

In einer „Sternstunde des Parlaments" hatte der Deutschen Bundestag lange um die beste Lösung gerungen. Die lautete: das Beihilfe zur Selbsttötung bleibt unangetastet, nur die geschäftsmäßige Suizidhilfe ist strafbar. Parallel wurden Hunderte Millionen für bessere Palliativmedizin und mehr Hospize beschlossen. Das Gesetz wirkte. Seit es 2015 in Kraft trat, gab es nie ein Verfahren gegen Ärzte, die beim Suizid assistierten. Und diejenigen, die es zuvor geschäftsmäßig betrieben hatten, wurden gestoppt.

Jetzt kommen sie alle wieder, um ihr Geschäft mit dem Tod zu betreiben. Dieses Geschäft ist in Deutschland seit Aschermittwoch radikaler möglich als in vielen anderen Ländern. Auch bei Sterbehilfe schafft  mehr Angebot mehr Nachfrage.

Menschen unter seelischem Druck, auch unter Druck ihrer Umgebung, werden nun den Weg in den Tod schneller gehen, wie Statistiken anderer Länder belegen. Diese verzweifelten Menschen sitzen nie in Talkshows, geben keine Interviews. Sie gehen still und verzweifelt.

Die stummen Schreie dieser Menschen haben die Richter nicht hören wollen. Das Urteil lässt sie schutzlos zurück. Belgien und Holland zeigen, wohin dieser Dammbruch führt: depressiv Erkrankte, Lebensmüde, selbst Kinder und Jugendliche und Demenzkranke zählen zu den Tausenden an Toten.

Eine Gesellschaft, die das Geschäft mit dem Tod ausweitet, geht in eine dunkle Zukunft. Wer gehen will, der kann – das hat der Staat nicht zu maßregeln. Aber niemand darf sich gedrängt fühlen. Eine Mutter, die mir schrieb, sie hätte in der Verzweiflung ihres Leidens die tödlichen Angebote vielleicht angenommen, appellierte an die Abgeordneten solche Angebote zu stoppen. Helfen Sie mit, dass unsere Gesellschaft nach diesem Urteil ihren Kern an Menschlichkeit nicht verliert.