Bewundernswert - mit Haltung

20.06.2020
Kolumne

Die Kolumne ist am 20./21. Juni 2020 in der Wochenzeitung FULDA AKTUELL erschienen.

Um der Familie Beistand zu leisten, war ich in Frankfurt dabei, im Gerichtssaal.

Viel ist über Walter Lübcke und sein Wirken und seine verantwortliche Haltung geschrieben worden vor Beginn des Gerichtsverfahrens am Dienstag. Seine Söhne und seine Witwe haben betont, dass sie seine Haltung weiterleben werden: Kein Platz für Hass, kein Platz für Ausgrenzung, stattdessen Verantwortung, Miteinander und Offenheit.

Walter Lübcke, ein so guter Charakter, überzeugter Christ und Patriot, wurde aus einem blühenden Leben durch einen kaltblütigen Mord rücksichtslos herausgerissen.

Als die Witwe mit den beiden Söhnen in den Gerichtssaal kam, war die Spannung mit Händen zu greifen. Dem mutmaßlichen Mörder auf wenige Schritte gegenüber, Dutzende Journalisten, Kameras - sozusagen die Augen der Öffentlichkeit auch auf die Angehörigen des Opfers gerichtet. Wie würden sie mit der enormen Belastung umgehen?

Sie sind diesen Gang in bewundernswerter Haltung gegangen. Die Begegnung mit dem, der Mann und Vater aus niederen, hasserfüllten Motiven ermordet hat, dürfte einer der schwersten Momente im Leben sein. In Frankfurt dauerte diese Begegnung eine gefühlte Ewigkeit. Lange und ruhig schauten die Witwe und die Söhne denjenigen an, von dem die Anklage sagt, dass er den Mord über Jahre geplant, Privathaus und Umgebung ausspioniert hat. Minutenlang schauten sie ihn an - ohne Wut, ohne Hass. Aber mit einer Festigkeit im Blick, mit einer Haltung, die alle im Gerichtssaal, von Zuschauern bis Journalisten, erfasste und berührte. Es war, als wollten sie im Namen des ermordeten Walter Lübcke sagen: Du veränderst mit dieser Mordtat unsere Haltung nicht. Wir bleiben bei der Haltung, für die Du ihn ermordet hast. Der Angeklagte hielt dem Blick nicht stand.

Wie klein, wie jämmerlich wirkte danach die Verhandlungstaktik der Verteidiger. Angesichts erdrückender Beweise, auch der moralischen Größe des Opfers und seiner Familie,  versuchten sie vergeblich juristische, gar politische Scheingefechte vor Gericht.

Der erste Tag dieses als historische Zäsur bezeichneten Verfahrens, in dem erstmals in der Geschichte unseres Landes ein rechtsextremistischer Mord an einem führenden Politiker verhandelt wird, war ein schwerer Tag. Für den Rechtsstaat, für die Demokratie und für eine im besten Sinne bürgerliche Haltung gegen Gewalt, Extremismus und Hass war es dennoch ein guter, ja sogar ein wichtiger Tag.

Wir alle dürfen dankbar sein für das Beispiel, dass die Familie, wie auch Walter Lübcke, für uns alle geben. Dies bleibt eine große Verpflichtung. Walter Lübckes Tod darf nicht umsonst gewesen sein.