Walter Lübcke - Ein besonderes Leben

15.06.2019
Kolumne

Die Kolumne "BRAND AKTUELL" ist am 15./16. Juni 2019 in der Wochenzeitung FULDA AKTUELL erschienen.

Eine gute Freundin, deren Vater als Dissident und Demokrat vom kommunistischen Regime ermordet worden war, und der in seinem jungen Leben ein Journalist, ein Schriftsteller und ein Musiker zugleich gewesen war, hat sich nach seinem Tod immer darum bemüht, den Vater nach seinem Leben zu beurteilen, und nicht nach der Art seines Todes.

Das gilt auch für den bei uns in der Region und darüber hinaus so fachlich und charakterlich respektierten wie menschlich beliebten Regierungspräsidenten Dr. Walter Lübcke.

Ins Amt berufen worden war er vom Innenminister Volker Bouffier, dem heutigen Ministerpräsidenten. Das heißt: Das Wirken von Walter Lübcke hat sich über eine so lange Zeit erstreckt, dass er die Menschen und die Menschen auch ihn kennenlernen konnten.

„Nihil nisi bene" lautet ein alter lateinischer Spruch, der unsere Kultur, unsere Zivilisation kennzeichnet, was den Umgang mit den Verstorbenen angeht. Er bedeutet, nichts außer Gutes zu sagen über Verstorbene.

Wer sich nach dem Tode eines, zumal so geachteten Mitbürgers und Repräsentanten unserer Demokratie, derart entgleist äußert, weil die anständige Haltung von Walter Lübcke im Jahre 2015 während der Herausforderung der Flüchtlingskrise nicht gefiel, der stellt sich schlicht außerhalb unserer Kultur, auch außerhalb unserer Gemeinschaft.

Aber auch diese Hetze, die der Bundespräsident zu Recht so massiv kritisiert hat, macht nicht Leben und Wirken von Walter Lübcke aus.

Er war ein exzellenter Verwaltungs-Chef. Er hat den Ausgleich gesucht, die beste Lösung, den Kompromiss. Ein guter Regierungspräsident ist nicht nur Vollstrecker der Landesregierung, ihr höchster Repräsentant in der Region. Er ist auch der Anwalt seiner Region; einer, der die Anliegen der Region und ihrer Menschen zu seinem Anliegen macht.

Das hat Walter Lübcke in vielen Fällen, nicht selten im Spagat zwischen der Regierung in Wiesbaden und den Leuten in seinem Regierungsbezirk so gehalten, und mit großem Erfolg.

Er wusste, was vor Ort los war, denn er war gerne unter den Menschen, es war für ihn wichtig, aus erster Hand zu hören, was bewegt, wo es klemmt, was es für gute Beispiele gibt (die haben ihn besonders beeindruckt). Und er ist, wie es ein Freund bei der bewegenden Trauerfeier in Kassel formuliert hat, dem Pförtner wie dem Ministerpräsident mit gleichen Respekt und Humor gegenüber getreten.

Das hat ihn ausgemacht, als Regierungspräsident, vor allem aber als Mensch. Verantwortliche wie normale Leute haben gerne mit ihm zu tun gehabt. Wir kannten uns über 20 Jahre und funkten persönlich auf einer Wellenlänge, ich habe seinen Optimismus und seinen Humor geschätzt, umso mehr, wenn's mal schwierig wurde.

Nicht nur haben viele Menschen einen guten Bekannten und Freund verloren, nicht nur die Familie einen tragischen und schockierenden Verlust. Auch hat unsere Region einen mit Land und Leuten sehr verbundenen, und für uns sehr starken Regierungspräsidenten verloren. Walter Lübcke war ein außerordentlicher Charakter, einfach ein guter Typ, der sich gekümmert und verdient gemacht hat. Ein ehrendes Andenken ist ihm sicher, Gottes guter Segen auch.

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